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AWO Bezirksverband Niederrhein e.V. | FAQ: Ehrenamtliche Vormundschaft

FAQ für Men­schen, die sich für das Eh­ren­amt ei­ner Vor­mund­schaft in­ter­es­sie­ren

Ein Vormund ist eine Person, die die rechtliche Vertretung einer minderjährigen und damit noch unmündigen Person („Mündel“) übernimmt, wenn dessen Eltern aus rechtlichen, gesundheitlichen oder anderen Gründen nicht dazu in der Lage sind. Eine solche Situation kann beispielsweise gegeben sein, wenn den Eltern von einem Familiengericht das Sorgerecht entzogen wurde oder wenn, im Falle unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge, die Eltern in einem anderen Land leben und somit nicht erreichbar sind.

Die rechtlichen Grundlagen der Vormundschaft finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere in den Paragrafen 1773 ff., die die Rechte und Pflichten eines Vormunds regeln. Weitere gesetzliche Bestimmungen zur Vormundschaft finden sich unter anderem im Sozialgesetzbuch (SGB) VIII in den Paragrafen 53ff..

Ein Vormund vertritt Minderjährige, während ein Betreuer für volljährige Personen zuständig ist, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung ihre Angelegenheiten nicht selbst regeln können. Volljährige können in Deutschland seit 1992 nicht mehr entmündigt und unter Vormundschaft gestellt werden. Stattdessen kann das Gericht eine rechtliche Betreuung anordnen.

Ein Vormund hat die umfassende rechtliche Vertretung aller Angelegenheiten des Mündels inne, während ein Pfleger nur für bestimmte Aufgaben zuständig ist. Nach § 1776 BGB kann das Familiengericht bei Bestellung eines ehrenamtlichen Vormunds allerdings mit dessen Einverständnis einzelne Sorgeangelegenheiten (z.B. Vermögensverwaltung) auf einen Pfleger übertragen, sofern die Übertragung dieser Angelegenheiten dem Wohl des Mündels dient.

Bei einer Adoption wird ein Kind rechtlich Teil der Familie der Adoptiveltern, d.h. dass ein Adoptivkind beispielsweise auch erbberechtigt ist. Eine Vormundschaft hingegen ist eine zeitlich begrenzte rechtliche Vertretung, die mit der Volljährigkeit des Mündels vollumfänglich endet.

Eine Vormundschaft endet, wenn das Kind volljährig wird oder wenn die ursprünglichen Umstände, die zur Bestellung des Vormunds führten (z.B. Entzug des Sorgerechts, Abwesenheit der Eltern bei minderjährigen Flüchtlingen), wegfallen. Ein Potenzial der ehrenamtlichen Vormundschaft besteht aber darin, dass bei beidseitigem Einverständnis die Unterstützung des Mündels durch den Vormund und der während der Vormundschaft gewachsene Kontakt auch über die Volljährigkeit hinaus fortgeführt wird.

Nach § 1779 BGB sollte eine Person „nach ihren Kenntnissen und Erfahrungen, ihren persönlichen Eigenschaften, ihren persönlichen Verhältnissen und ihrer Vermögenslage sowie ihrer Fähigkeit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den anderen an der Erziehung des Mündels beteiligten Personen geeignet sein, die Vormundschaft so zu führen, wie es das Wohl des Mündels erfordert.“ Wichtige Eigenschaften sind Empathie, Zuverlässigkeit, Kooperationsfähigkeit, Kommunikationsstärke und eine grundsätzliche Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Rechtliche Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.

Formale Voraussetzungen: Sie müssen volljährig sein und in jedem Fall müssen Sie ein erweitertes Führungszeugnis ohne Eintragungen vorlegen.

Wenden Sie sich zunächst an das örtliche Jugendamt. Dieses kann sie entweder selbst beraten oder an einen Verein weiterverweisen, der sich um die Gewinnung, Schulung, Vermittlung und Begleitung ehrenamtlicher Vormund*innen kümmert. Alternativ können Sie sich auch an das örtliche Familiengericht wenden. 

Die kommunalen Strukturen zur Gewinnung ehrenamtlicher Vormund*innen sind in Deutschland sehr unterschiedlich, deshalb kann diese Frage kaum allgemeingültig beantwortet werden. Im Regelfall wird ein Vertreter des Jugendamtes oder eines Vereines mit Ihnen ein Gespräch führen, um Ihre Eignung für dieses Ehrenamt zu prüfen. In vielen Kommunen gibt es darüber hinaus Schulungen, in denen interessierte Bürger*innen auf das Ehrenamt einer Vormundschaft vorbereitet werden und über die wichtigsten Rechte und Pflichten informiert werden. 

Das Jugendamt oder der Verein kann Sie nach einer erfolgreichen Eignungsprüfung und ggfls. angeschlossener Schulung beim Familiengericht für die Übernahme einer Vormundschaft vorschlagen. Auf der Grundlage dieser Empfehlung und ggfls. einer ergänzenden eigenen Prüfung fällt das Familiengericht letztlich die Entscheidung und Sie erhalten eine Bestellungsurkunde.

Ein Vormund hat das Recht und die Pflicht, anstelle der Eltern die Interessen seines Mündels zu vertreten. Dies umfasst Aspekte der Personensorge und der Vermögenssorge. Da Mündel nur in Ausnahmefällen über ein Vermögen verfügen, spielt die Personensorge in der Praxis eine deutlich größere Rolle. 

Der Vormund entscheidet unter größtmöglicher Beteiligung des jungen Menschen und in der Kooperation mit Dritten zum Beispiel, auf welche Schule sein Mündel geht, ob es bei einer Gastfamilie einzieht oder eine Wohngruppe wechselt, ob es in einem Sportverein angemeldet wird, er stellt für sein Mündel einen Asylantrag oder stimmt einer therapeutischen Behandlung zu. 

Für die alltägliche Begleitung und Betreuung des Mündels ist der Vormund nicht zuständig, da das Mündel im Regelfall nicht beim Vormund selbst lebt, sondern in einer Pflegefamilie, in einer Wohngruppe oder bei Verwandten.

Der zu erbringende Zeitaufwand im Rahmen einer ehrenamtlichen Vormundschaft hängt von mehreren Faktoren ab, nämlich davon, wie viel Regelungs- und Klärungsbedarf bei ihrem Mündel tatsächlich entsteht (dies kann sich im Laufe einer Vormundschaft stark ändern), wieviel Zeit ihr Mündel mit Ihnen verbringen möchte und nicht zuletzt auch davon, wie viel Zeit Sie über Ihre gesetzliche Rolle als Vormund hinaus investieren wollen und können (etwa in Form gemeinsamer Freizeitaktivitäten mit dem Mündel). Nach § 1790 BGB soll ein Vormund sein Mündel „in der Regel einmal im Monat in dessen üblicher Umgebung aufsuchen.“ Ehrenamtliche Vormünder treffen ihre Mündel aber im Regelfall häufiger und investieren mehr Zeit, als die gesetzliche Vorgabe dies vorsieht.

Nach Paragraf 53a SGB VIII haben Vormünder „Anspruch auf regelmäßige und dem jeweiligen erzieherischen Bedarf des Mündels entsprechende Beratung und Unterstützung durch das Jugendamt.“ Im Zweifelsfalle sollten Sie sich deshalb immer an das örtliche Jugendamt wenden. Viele Jugendämter und Vereine bieten einführende Schulungen, Seminare und regelmäßige Treffen an, in denen sich ehrenamtliche Vormunde über ihre Erfahrungen austauschen können.

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Beratungsstellen für spezielle Themen, die Sie in Anspruch nehmen können (z.B. Drogenberatung, Asylverfahrensberatung, Schulpsychologische Beratungsstellen).

Neben den üblichen Aufgaben einer Vormundschaft kommt hier die asyl- und aufenthaltsrechtliche Begleitung als wichtiges Aufgabenfeld hinzu. Angesichts der Komplexität dieses Themas sollte bei wichtigen Entscheidungen immer der Rat entsprechender Fachstellen (z.B. Asylverfahrensberatung) eingeholt werden. Da Geflüchtete bei ihrer Ankunft in Deutschland im Regelfall über keine deutschen Sprachkenntnisse verfügen, sind zu Beginn häufig sprachliche (zum Teil auch kulturelle) Hürden zu überwinden. Bei Bedarf sind Dolmetscherdienste zu beanspruchen. 

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind zum Zeitpunkt ihrer Einreise in Deutschland weitüberwiegend zwischen 15 und 17 Jahre alt. Die Vormundschaft ist deshalb im Regelfall auf einen relativ kurzen Zeitraum begrenzt.

Das Familiengericht entscheidet über Ihre Bestellung und Abwahl als Vormund und nimmt eine aufsichtliche Rolle wahr. Sie müssen deshalb dem Familiengericht regelmäßig (meist einmal jährlich) Berichte über die Entwicklung Ihres Mündels vorlegen, in denen verschiedene Aspekte der Lebenssituation ihres Mündels deutlich werden (z.B. Schulbesuch, Gesundheit, soziale Entwicklung). Falls Ihr Mündel, was selten vorkommt, über ein Vermögen verfügt, müssen Sie dem Gericht jährlich eine Vermögensaufstellung vorlegen.

Darüber hinaus sind Sie verpflichtet, das Familiengericht über besonders wichtige Ereignisse, wie z.B. Wohnortwechsel oder eine drohende Kindeswohlgefährdung unverzüglich zu informieren.

Dies ist prinzipiell erlaubt, sollte aber sorgfältig abgewogen werden. Einerseits kann es ein junger Mensch als übergriffig und beklemmend empfinden, wenn er in die private Wohnung seines Vormundes eingeladen wird. Andererseits kann eine solche Einladung von dem jungen Menschen im Gegenteil als ein Zeichen der Wertschätzung und des gewachsenen Vertrauens wahrgenommen werden. Wichtig ist, dass Sie sich empathisch in die Lage Ihres Mündels versetzen können und auf dieser Grundlage ein angemessenes Verhältnis von Nähe und Distanz praktizieren. Einladungen in das private Umfeld des Vormundes können die persönliche Bindung zwischen Vormund und Mündel stärken und sind insofern in vielen Fällen empfehlenswert, weniger aber zu Beginn einer Vormundschaft.

Für ehrenamtliche Vormünder gibt eine pauschale Aufwandsentschädigung in Höhe von derzeit 425 € pro Jahr. Diese beantragen Sie beim Familiengericht. Falls besondere Kosten anfallen, die über die pauschale Aufwandsentschädigung nicht finanziert werden können, wie z.B. Dolmetscherkosten, sind diese gesondert beim Familiengericht zu beantragen. In solchen Fällen empfiehlt es, sich, vorher zu klären, inwieweit anfallende Kosten vom Familiengericht tatsächlich getragen werden oder nicht.

Ja, ehrenamtliche Vormünder sind im Regelfall über das jeweilige Bundesland haftpflicht- und unfallversichert. Eine vorherige Registrierung ist nicht erforderlich, diese erfolgt quasi automatisch durch Ihre Bestellung als Vormund durch das Familiengericht. Solche Versicherungen schützen aber nicht vor Schäden, die durch grob fahrlässiges Verhalten entstehen könnten.

Mit der Volljährigkeit endet Ihre Rolle als rechtlicher Vertreter ihres Mündels automatisch. Sie sollten frühzeitig mit Ihrem Mündel klären, ob ungeachtet dessen auf beiden Seiten Interesse besteht, den Kontakt aufrechtzuerhalten. Wichtige Dokumente und Unterlagen über Ihr Mündel sollten Sie an Ihr Mündel mit Erreichen der Volljährigkeit übergeben. Gegenüber dem Familiengericht haben Sie nach der Volljährigkeit Ihres Mündels einen Abschlussbericht vorzulegen.

Bevor Sie sich für ein solches Ehrenamt entscheiden, sollten Sie sich bewusst machen, dass Kinder und Jugendliche ohne elterliche Begleitung in ihrem Leben häufig schon schmerzhafte Beziehungsabbrüche erleben mussten. Eine ehrenamtliche Vormundschaft darf und sollte deshalb von Seiten des Vormundes nicht leichtfertig beendet werden. Sollten aber unvorhersehbare Umstände (z.B. gesundheitliche Probleme) dazu führen, dass Sie eine Vormundschaft auch bei bestem Willen nicht mehr ausüben können, sollten Sie so frühzeitig wie möglich das Jugendamt und das Familiengericht informieren, damit rechtzeitig ein neuer Vormund bestellt werden kann.

Wichtige Dokumente, wie z.B. Zeugnisse oder behördliche Dokumente, sollten Sie Ihrem Mündel mit Erreichen seiner Volljährigkeit vollständig übergeben. Inwieweit Sie darüber hinaus auch Dokumente wie Gesprächsprotokolle oder Notizen an Ihr Mündel übergeben und / oder für sich selbst archivieren möchten, ist sensibel im Einzelfall abzuwägen. Feste Aufbewahrungsfristen gibt es nicht. (Nähere siehe: Expertise Sozialdatenschutz im Kontext ehrenamtlicher Vormundschaften).

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