Bei den Vormundschaften (rechtliche Vertretung für Minderjährige) wird insbesondere der Mündel mit seinen Rechten als Subjekt noch stärker in den Mittelpunkt gestellt und der Vorrang der ehrenamtlichen Vormundschaft deutlicher herausgestellt. „Ehrenamtliche Vormunde können zu ihrem Mündel in der Regel eine viel persönlichere Beziehung aufbauen, als dies einem hauptberuflichen Vormund mit bis zu 50 Mündeln möglich wäre. Außerdem, so die Erfahrungen in unserem Projekt Vertrauenssache, begleiten die ehrenamtlichen Vormunde ihre Mündel häufig auch über die Volljährigkeit hinaus“, kann Dr. Michael Maas (Abteilungsleiter Jugendhilfe beim AWO Bezirksverband Niederrhein) aus eigener privater und beruflicher Erfahrung berichten. Mit dem aus Mitteln der Aktion Mensch geförderten Projekt Vertrauenssache hatte sich die niederrheinische AWO Gliederung drei Jahre lang intensiv der Gewinnung, Qualifizierung und Begleitung ehrenamtlicher Vormunde für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gewidmet.
Allerdings greifen die Anpassungen nicht alle Reformbereiche auf: „Denn anders als im Betreuungsbereich ist im Vormundschaftswesen keine strukturelle Förderung für die professionelle Gewinnung und Begleitung ehrenamtlicher Vormunde vorgesehen. Ebenso fehlen Vorgaben für die statistische Erfassung zur Verteilung der Vormundschaftsarten und somit notwendige Voraussetzungen für ein regionales Benchmarking“, kritisiert Dr. Michael Maas. Ebenso wenig fand die von nahezu allen Fachverbänden einmütig formulierte Forderung, dass Vormundschaftsvereine als Verein (und nicht nur Vereinsvormünder als natürliche Personen) bestellt werden dürfen, keinen Eingang ins Gesetz. „Dem proklamierten Anspruch eines vielfältig und mehrsäulig aufgestellten Vormundschaftswesens wird das neue Gesetz also kaum gerecht“, so der AWO Fachmann. Allerdings sei das letzte Wort noch nicht gesprochen: „Es wird nun davon abhängen, wie das Land NRW, Kommunen, Familiengerichte und Vormundschaftsvereine die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen konkret umsetzen werden“, stellt Dr. Michael Maas in Aussicht.
Dass – wie bei den Vormundschaften – auch bei der rechtlichen Betreuung das betreute Subjekt gestärkt wird und deren*dessen Wünsche zünftig zum zentralen Maßstab für das Betreuer*innenhandeln werden, betrachtet auch Michael Rosellen als richtigen und wichtigen Schritt. Für die unverzichtbare Arbeit der Betreuungsvereine freut sich Michael Rosellen (Abteilungsleiter Behindertenhilfe beim AWO Bezirksverband Niederrhein) über die Zielsetzung des Gesetzes, „die Finanzierung zu stärken und für eine angemessene Vergütung der Berufsbetreuer*innen zeitnah Sorge zu tragen und weitere Anreize für eine qualitativ gute Betreuung zu schaffen.“ Allein in den AWO Betreuungsvereinen in NRW werden insgesamt ca. 4.500 Betreuungen geführt, davon entfallen ca. 1.500 auf Ehrenamtliche Betreuer*innen. Diese werden durch die Vereine fachlich beraten und begleitet. Pro Jahr werden ca. 2.000 Menschen in Fragen zu Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen beraten.
Den Betreuungsvereinen kommt somit eine fundamentale Aufgabe bei der Gewinnung, Ausbildung und Begleitung der Ehrenamtlichen zu. Diese werden noch gestärkt, wenn Ehrenamtliche, die keine familiären Beziehungen oder persönlichen Bindungen zur*zum Betreuten haben, zukünftig mit einem Betreuungsverein eine Vereinbarung über eine Begleitung und Unterstützung abschließen sollen.
Entsprechend müsse die Querschnittsarbeit der Betreuungsvereine zukünftig auskömmlich finanziert werden, erwartet Michael Rollen und sieht dafür das Land Nordrhein-Westfalen in der Pflicht: „Gerade für die Ausstattung der Querschnittsarbeit wie Koordination, Bildung und Begleitung Ehrenamtlicher sowie Qualitätssicherung müssen durch das Land NRW mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.“