89 Mitbestimmung, Partizipation, Mitgliederbindung Zahlreiche Studien zeigen, dass formale Mitbestimmung in Verbänden (z. B. über Delegierten- oder Mitgliederversammlungen) nicht automatisch gelebte Partizipation bedeutet. Oft bestehen informelle Hürden, z. B. durch lange Wege zu relevanten Entscheidungen, asymmetrisches Wissen oder implizite Machtkonzentration im Hauptamt (Klein et al. 2021). Partizipation bleibt damit häufig auf „symbolisches Einbinden“ begrenzt. Gleichzeitig zeigen empirische Befunde, dass Mitgliederbindung dann besonders gut gelingt, wenn Engagement nicht nur erlaubt, sondern erwünscht, gefördert und gestaltet wird – etwa durch Feedbackkultur, reale Mitentscheidungsspielräume oder sichtbare Wirkungsmöglichkeiten (Strachwitz et al. 2020). Neue Modelle der Zusammenarbeit setzen hier an: In den bereits erwähnten dualen Verantwortungsteams arbeiten Haupt- und Ehrenamtliche gleichberechtigt an Projekten, teilen Rollen, planen gemeinsam und verantworten Ergebnisse. Der Unterschied zum traditionellen Delegationsmodell liegt im Verzicht auf hierarchische Steuerung – zugunsten geteilter Verantwortung. Solche Modelle fördern Vertrauen, ermöglichen Wissensaustausch und entlasten zugleich hauptamtliche Strukturen. Ähnlich fungieren geteilte Governance-Räume, z. B. paritätisch besetzte Steuerungsgruppen oder projektübergreifende Strategieforen, die offen für Ehrenamtliche, Nutzer*innen oder externe Perspektiven sind. Diese Formate ermöglichen demokratische Aushandlung und verbessern die Anschlussfähigkeit von Organisationen an ihre Mitgliederbasis. Die Analyse der bisherigen Verbandsstrukturen und Zielgruppenprofile zeigt: Trotz Öffnungsbemühungen bestehen weiterhin blinde Flecken und strukturelle Hürden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, den Blick zu weiten – auf bislang unterrepräsentierte Zielgruppen und ihre spezifischen Engagementlogiken. Denn gerade hier liegen die Potenziale für eine zukunftsfähige Erneuerung verbandlicher Arbeit. Im nächsten Kapitel werden daher neue Zielgruppen und Formate in den Mittelpunkt gerückt, um konkrete Ansatzpunkte für eine diversifizierte Engagementlandschaft zu identifizieren.
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