88 Diverse Autor:innen diskutieren dazu zunehmend „Anschlussformate“: Das sind Engagementangebote, die gezielt für neue Zielgruppen geöffnet werden, z. B. durch zielgruppenspezifische Kommunikation, Bezüge zum Alltag, Themenformate für Schulen oder Familien oder transkulturelle Arbeitsgruppen. Damit verbunden sind sog. „niedrigschwellige Einstiegsmöglichkeiten“, also Aktivitäten ohne langfristige Bindung, ohne formale Mitgliedschaft oder komplexe Anforderungen – etwa Schnupperaktionen, digitale Beteiligung (z. B. Petitionen, Crowdmapping) oder EinmalEngagements bei Events. 7.3.3 Rolle von Organisationskultur und -struktur Die Betrachtung unterschiedlicher Organisationstypen hat deutlich gemacht, dass Verbände – je nach historischer Verankerung, thematischem Profil und gesellschaftlichem Selbstverständnis – sehr verschiedene Zielgruppen ansprechen und unterschiedliche Formen von Engagement strukturieren. Während Wohlfahrtsverbände häufig auf Kontinuität, institutionelle Einbindung und versorgungsnahe Strukturen setzen, mobilisieren Umweltverbände primär bildungsbürgerliche Milieus mit hoher inhaltlicher Identifikation. Doch über Typen und Zielgruppen hinaus stellt sich eine zentrale Anschlussfrage: Was sind die tieferliegenden kulturellen und strukturellen Bedingungen, die beeinflussen, wer sich engagiert, wie Mitwirkung gestaltet wird – und wer ausgeschlossen bleibt? Um zu verstehen, wie Engagement tatsächlich ermöglicht oder verhindert wird, lohnt sich ein Blick auf die Organisationskultur und -struktur selbst. Denn nicht allein das Thema oder der Organisationstyp entscheidet über Beteiligung, sondern oft unsichtbare Faktoren wie Sprache, Umgangsformen, Entscheidungsprozesse und Erwartungshaltungen. Sie prägen das „innere Gesicht“ einer Organisation – und damit maßgeblich ihre Zugänglichkeit, Attraktivität und Innovationskraft. Inklusion vs. Exklusion Organisationskultur umfasst mehr als Leitbilder oder Satzungen. Sie zeigt sich im Umgangston, der verwendeten Sprache, der Haltung zu Fehlern, in Machtstrukturen und informellen Normen. Diese Merkmale entscheiden maßgeblich darüber, ob sich Menschen willkommen, ernst genommen und befähigt fühlen, oder ob sie sich still zurückziehen. So wirken z. B. fachspezifische Sprache, Ironie unter Eingeweihten, ritualisierte Gremienlogiken oder exklusive Entscheidungspfade oft unbewusst abschreckend auf neue Zielgruppen – besonders auf junge, weniger institutionserfahrene oder bildungsferne Engagierte (Schein 2010; Sydow et al. 2013, BMFSFJ 2024). Auch strukturelle Merkmale wie Einladungen per Brief, Sitzungen zu klassischen Bürozeiten, aufwendige Antragsverfahren oder langwierige Entscheidungsprozesse stellen hohe Einstiegshürden dar. Eine „hörende Organisation“ bedeutet, solche Exklusionsmechanismen bewusst zu erkennen, anzusprechen und partizipativ zu verändern – etwa durch Feedbackformate, experimentelle Beteiligungsstrukturen oder niedrigschwellige Begegnungsformate.
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