87 7.3.2 Organisationstypen und Zielgruppenprofile Wohlfahrtsverbände: Kontinuität und Versorgungslogiken Wohlfahrtsverbände wie AWO, Caritas oder DRK sind stark in die Architektur des Wohlfahrtsstaates eingebunden und arbeiten oft mit langjährig etablierten Zielgruppen, Routinen und Hierarchien. Die Beziehung zwischen Mitgliedern und Verband ist dabei oft von einem „Versorgungsansatz“ geprägt: Im Mittelpunkt stehen Hilfe, Betreuung und Sicherheit – weniger die aktive Mitgestaltung oder Selbstbestimmung der Mitglieder (Klie 2018). Zugleich ist deutlich erkennbar, dass Wohlfahrtsverbände verstärkt versuchen, neue Zielgruppen zu erschließen. Angesichts der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels wird gezielt daran gearbeitet, jüngere Menschen, Menschen mit Migrationserfahrung sowie Eltern oder Berufstätige in temporären Engagementformen anzusprechen. So empfiehlt etwa die AWO, Kooperationen mit Bildungseinrichtungen wie Kitas oder Schulen auszubauen, um Eltern als potenzielle Engagierte zu erreichen. Auch projektbasierte, zeitlich begrenzte Engagementmöglichkeiten werden gezielt als Brücken in die Organisation eingesetzt. Das Ehrenamt wird in diesen Kontexten oft als verlängerter Arm des Hauptamts verstanden – zur Entlastung oder Ausdifferenzierung bestehender Dienstleistungen. Hier liegt jedoch auch ein erhebliches Potenzial: Neue Kooperationsmodelle wie „duale Verantwortungsteams“ – also Teams, in denen Haupt- und Ehrenamtliche gemeinsam Verantwortung für Projekte, Abläufe oder Zielgruppen übernehmen – ermöglichen echte Augenhöhe. Anders als bei traditionellen Delegationsmodellen geht es dabei nicht um Zuarbeit, sondern um geteilte Gestaltungskompetenz. In ähnlicher Weise bezeichnen „geteilte Governance-Räume“ solche Strukturen (z. B. Beiräte, Steuerungsgruppen, Projektentwicklungsforen), in denen Mitentscheidung, Ressourcenplanung und strategische Leitlinien partizipativ entwickelt werden – jenseits klassischer Vorstandshierarchien (BMFSFJ 2015). Umweltverbände: Bildungsbürgerliches Engagement Verbände wie NABU, BUND oder Greenpeace aktivieren vor allem bildungsnahe, ressourcenstarke Zielgruppen, die sich über inhaltliche Identifikation mit ökologischen und sozialen Werten engagieren. Anders als in der Wohlfahrt steht hier Selbstverwirklichung durch Sinnorientierung im Vordergrund – häufig in autonomen Ortsgruppen, Kampagnenteams oder digitalen Projekten. Diese Autonomie ermöglicht eine hohe Identifikation und Motivation, bringt aber zugleich selektive Strukturen mit sich, die für bildungsferne oder finanziell eingeschränkte Menschen wenig Anschlussmöglichkeiten bieten (Rucht/Roose 2001). Um dies zu überwinden, verfolgen Umweltverbände zunehmend eine Strategie der Öffnung. Beispielsweise nutzt der NABU persönliche Informationsangebote an öffentlichen Orten sowie Haustürgespräche, um auch Menschen außerhalb bildungsbürgerlicher Milieus zu erreichen. Veranstaltungsformate mit niedrigschwelligen Mitmachmöglichkeiten – etwa Familienaktionen oder lokale Umweltprojekte – ergänzen diese Ansätze. Ziel ist es, über Berührungspunkte im Alltag auch neue Zielgruppen für die Themen des Verbandes zu sensibilisieren und zur Beteiligung zu motivieren.
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