85 Begriffe erfüllen dabei mehrere Funktionen: Sie dienen der Mobilisierung, indem sie Menschen zur Beteiligung ermutigen und unterschiedliche Erwartungshaltungen sowie Anschlussmöglichkeiten schaffen. Während „Ehrenamt“ mit Verlässlichkeit, Tradition und öffentlicher Anerkennung assoziiert wird, sprechen Begriffe wie „Freiwillige“ oder „Engagierte“ eher flexibel orientierte, projekt- oder lebensphasenbezogen aktive Personen an. Begriffe tragen zudem zur Legitimation von Organisationen bei – sowohl nach innen als Ausdruck einer gemeinsamen Identität als auch nach außen zur politischen oder gesellschaftlichen Positionierung. Darüber hinaus ermöglichen Begriffe Selbstvergewisserung und Identitätsstiftung – für Organisationen wie für die Engagierten selbst. Wer sich als „Ehrenamtliche*r“ versteht, identifiziert sich mit einer bestimmten Tradition des freiwilligen Dienstes; wer sich als „zivilgesellschaftlicher Akteur“ positioniert, formuliert ein emanzipatorisches Selbstverständnis. Gleichzeitig erfüllen Begriffe eine Funktion der Abgrenzung: gegenüber anderen Organisationstypen, Engagementformen oder staatlichen Strukturen. In einer zunehmend pluralen Engagementlandschaft sind solche semantischen Markierungen wichtig, um das eigene Profil zu schärfen. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die adressatenspezifische Kommunikation: Organisationen verwenden Begriffe gezielt, um bestimmte Zielgruppen anzusprechen. Staatliche Stellen wie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) oder das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) nutzen bevorzugt den Begriff „bürgerschaftliches Engagement“, um die aktive Beteiligung von Bürger*innen am Gemeinwesen zu betonen. Das BMFSFJ spricht daneben auch von „freiwilligem Engagement“ – ein Begriff, der Offenheit gegenüber vielfältigen Engagementformen signalisiert. Die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) wiederum verwendet bewusst sowohl „Engagement“ als auch „Ehrenamt“, um Anschlussfähigkeit an unterschiedliche Traditionen und Zielgruppen zu gewährleisten. Diese doppelte Begriffsnutzung ist Ausdruck einer strategischen Brückenfunktion: zwischen klassischen Ehrenamtsstrukturen und vielfältigen, zeitgemäßen Engagementformaten. Auch bei zivilgesellschaftlichen Trägern zeigen sich unterschiedliche Schwerpunkte: Wohlfahrtsverbände wie die Arbeiterwohlfahrt (AWO) verwenden sowohl „Ehrenamt“ als auch „freiwilliges Engagement“. Dabei betonen sie insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen sowie die Rolle des Engagements für soziale Dienstleistungen. Umweltverbände wie der NABU sprechen hingegen vorwiegend vom „Ehrenamt“, um auf die zentrale Bedeutung des freiwilligen Einsatzes für Natur- und Umweltschutz hinzuweisen. Insgesamt zeigt sich eine klare Tendenz: Staatliche Stellen bevorzugen umfassende, strategisch anschlussfähige Begriffe wie „bürgerschaftliches“ oder „freiwilliges Engagement“; Wohlfahrtsverbände kombinieren traditionelle und offenere Begriffe im Sinne ihrer sozialen Infrastruktur; Umweltverbände hingegen setzen auf die symbolisch stark aufgeladene Figur des Ehrenamts. Die Begriffsverwendung ist damit mehr als ein sprachlicher Stilakt – sie ist Ausdruck politischer, strategischer und normativer Entscheidungen. Wer wie über Engagement spricht, prägt Vorstellungen von Zugehörigkeit, Teilhabe und Verantwortung – und gestaltet damit aktiv das Feld zivilgesellschaftlicher Praxis mit.
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