83 Freiwilligenarbeit: Funktionalisierung und kritische Distanz „Freiwilligenarbeit“ wird insbesondere in arbeits- und wohlfahrtskritischen Kontexten verwendet. Der Begriff beschreibt Formen von unbezahlter, freiwilliger Tätigkeit, die nicht unbedingt politisch oder demokratisch legitimiert, sondern vor allem funktional sind – etwa in sozialen Diensten, Projekten oder Programmen. Damit soll eine zunehmende Instrumentalisierung von Engagement, insbesondere im Rahmen des Strukturwandels des Sozialstaats reflektiert werden, bei dem staatliche Leistungen durch zivilgesellschaftliche Tätigkeiten ersetzt oder ergänzt werden sollen (Mauritz 2020; van Dyk/Kessl 2021). Aus dieser Perspektive wird Freiwilligenarbeit nicht nur als Gabe verstanden, sondern auch als Symptom neoliberaler Verschiebungen, die soziale Verantwortung in die Privatsphäre oder das Ehrenamt auslagern. Feministische und postkoloniale Kritiken heben zudem hervor, dass die Unterscheidung von bezahlter und unbezahlter Arbeit oft geschlechts- und herkunftsspezifische Machtverhältnisse verschleiert (Notz 2020, Haas 2020). So wird Freiwilligenarbeit in Teilen der Literatur auch als analytischer Begriff genutzt, um auf diese Spannungsfelder aufmerksam zu machen – im Unterschied zu idealisierten Redeweisen von Engagement. Mitgliedschaft: Verbindlichkeit, Repräsentation und demokratische Teilhabe „Mitgliedschaft“ ist vor allem in klassischen Verbänden und Organisationen wichtig, etwa in Wohlfahrts- oder Umweltorganisationen. Historisch war die Mitgliedschaft Ausdruck von Zugehörigkeit und Mitgestaltung, aber auch von Verantwortung und Loyalität gegenüber einer Organisation oder Idee. Mitgliedschaft bringt formale Rechte mit sich – etwa Stimmrecht, Zugang zu Informationen oder die Möglichkeit zur aktiven Mitarbeit. Damit steht die Mitgliedschaft auch für demokratische Teilhabe innerhalb zivilgesellschaftlicher Organisationen (Witt et al. 2006). Gleichzeitig dient Mitgliedschaft der Legitimation nach außen, etwa in politischen oder förderpolitischen Kontexten, und sichert durch Beiträge und Engagement finanzielle und personelle Stabilität. Heute zeigt sich aber ein Wandel: Viele Menschen möchten sich lieber kurzfristig und projektbezogen engagieren, sodass feste Mitgliedschaften an Bedeutung und Selbstverständlichkeit verlieren (Haas et al. 2024). Förderung: Solidarität ohne Bindung? Wer fördert, unterstützt eine Organisation meist finanziell, ohne inhaltlich mitzuarbeiten oder strukturell eingebunden zu sein. In Abgrenzung zur aktiven Mitgliedschaft betonen Förderrollen Vertrauen und symbolischer Nähe, ohne eine Mitverantwortung für Inhalte oder Governance zu beanspruchen. Diese Form von Engagement ist häufig bei Großorganisationen wie dem NABU oder Amnesty International zu beobachten, wo Förder*innen zwar zahlenmäßig stark sind, aber kaum Entscheidungsrechte haben. Förderung basiert auf einem ökonomischen Austauschmodell, das an Spendenpraxis erinnert, jedoch durch Wiederholung und identifikatorische Nähe eine eigene Form der Bindung erzeugt (Witt et al. 2006). Aus Perspektive der Organisationen kann Förderung strategisch attraktiv sein: Sie ist niedrigschwellig, stabilisierend und lässt sich gut skalieren – bringt aber oft keine direkte Beteiligung oder Rückbindung mit sich.
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