82 Bürger*innen aktiv ihre Gesellschaft mitgestalten – ein demokratisches Ideal der liberalen Gesellschaftsordnung (Deutscher Bundestag 2002). Der Begriff ist zudem eng verbunden mit Governance-Ideen und Partizipationsnormen. Er betont die individuelle Verantwortung und Teilhabe an gesellschaftlicher Gestaltung und ist dabei tief in einer bestimmten politischen Philosophie verwurzelt: Bürger*innen agieren aus freiem Willen, auf Basis gleicher Rechte, zur Stärkung des demokratischen Gemeinwesens. Dabei bleibt jedoch oft unreflektiert, wer als „Bürger*in“ gilt, was historische und soziale Ausschlüsse reproduzieren kann (Haas et al. 2024). Vor allem staatliche Akteure und politische Stiftungen nutzen ihn, um Engagement als demokratiestärkende Ressource zu konzeptualisieren. Zivilgesellschaftliches Engagement: Politische Verortung und demokratischer Anspruch Das Konzept „zivilgesellschaftliches Engagement“ geht über das bürgerschaftliche Verständnis hinaus. Hier geht es nicht nur um Engagement als Handlung, sondern auch um eine Haltung und die Einordnung im gesellschaftlichen Gefüge. Es verweist auf die Zivilgesellschaft als eigenständige Sphäre zwischen Staat, Markt und Privatsphäre – als Ort von Eigensinn, Kritik, Vermittlung und Widerstand. Zivilgesellschaftliches Engagement ist dabei kein neutraler Begriff, sondern mit unterschiedlichen Traditionen (liberal, republikanisch, assoziativ, hegemonietheoretisch) verknüpft. Es beinhaltet damit nicht nur eine Tätigkeit, sondern eine Positionierung im gesellschaftlichen Machtgefüge. Zivilgesellschaftliches Engagement kann bestehende Strukturen stützen, aber auch herausfordern – etwa durch soziale Bewegungen, Proteste oder kritische Öffentlichkeiten (Haas et al. 2024). Der Begriff ist also stärker gesellschaftstheoretisch aufgeladen. Organisationen, die sich selbst als Akteure gesellschaftlichen Wandels verstehen – etwa aus sozialen Bewegungen, entwicklungspolitischen oder menschenrechtsorientierten Kontexten – bevorzugen diesen Begriff, weil er ihren Anspruch auf Eigenständigkeit und politisches Wirken unterstreicht. Ehrenamt: Zwischen bürgerlicher Pflicht und sozialer Anerkennung Das „Ehrenamt“ hat in Deutschland eine spezielle und lange Tradition. Ursprünglich verstand sich das Ehrenamt als bürgerliche Pflicht, insbesondere von Besitzbürgern, zur Übernahme öffentlicher Aufgaben ohne Bezahlung – etwa als Armenpfleger, Gemeinderat oder Schöffe. Auch heute noch schwingt diese Nähe zum Staat mit und unterscheidet das Ehrenamt von anderen Engagementformen, die stärker auf Autonomie und Gegenmacht ausgerichtet sind (Sachße 2011). Gleichzeitig wird das Ehrenamt zunehmend als Auszeichnung gesehen, die mit Ehre und Anerkennung verbunden ist. Damit wird es zu einem sozialen Distinktionsmerkmal mit symbolischem Kapital. Diese Entwicklung spiegelt sich etwa in der inflationären Verwendung des Begriffs in politischen Programmen und Institutionen wie der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt wider, die damit nicht nur klassische Ehrenämter, sondern diverse Formen von Freiwilligkeit aufwertet. Kritisch betrachtet wird, dass Ehrenamt oft als offen für alle dargestellt wird, tatsächlich aber auch mit bestimmten Erwartungen und Zugangsbarrieren verbunden ist (Haas et al. 2024). Besonders häufig nutzen Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Kommunen den Begriff, weil er für Verlässlichkeit und stabile Strukturen steht. Zugleich ist der Begriff in der öffentlichen Wahrnehmung stark positiv konnotiert, was ihn für Anerkennungspolitiken besonders attraktiv macht.
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