Jenseits der Gewohnheit. Mitgliedschaft, Macht und Wandel neu denken

81 7.2 Begriffe, Verständnisse und Diskurse Begriffe wie „Engagement“, „Ehrenamt“, „Freiwilligenarbeit“ oder „Mitgliedschaft“ sind allgegenwärtig im öffentlichen und verbandlichen Diskurs. Trotzdem wird selten klar gesagt, was genau unter ihnen verstanden wird und mit welcher Absicht sie verwendet werden. Die meisten Organisationen verwenden diese Begriffe, weil sie historisch gewachsen und mit bestimmten Vorstellungen verknüpft sind. Oft denken sie aber nicht systematisch darüber nach. Dadurch entstehen nicht nur verschiedene Verständnisse innerhalb der Zivilgesellschaft, sondern auch Missverständnisse in der Kommunikation – etwa zwischen Organisationen, ihren Zielgruppen und der Politik. Um eine gute Grundlage für eine gezielte Ansprache unterschiedlicher Zielgruppen zu schaffen, schaut dieses Kapitel zuerst auf die Entstehung und Entwicklung dieser Begriffe. Es wird gezeigt, welche Bedeutungen sich im Lauf der Zeit entwickelt haben und wie sich diese verändert haben. Danach betrachten wir, wie verschiedene Akteure – wie der Staat, Wohlfahrtsverbände oder Umweltorganisationen – diese Begriffe heute nutzen und welche Ziele sie damit verfolgen. Denn Begriffe sind nie neutral: Sie beeinflussen, wie wir Dinge wahrnehmen, schaffen Zugehörigkeit, rechtfertigen Strukturen – und können auch Menschen ausschließen. 7.2.1 Begriffe im Vergleich und ihre Wirkungen Die Begriffe Engagement, bürgerschaftliches Engagement und zivilgesellschaftliches Engagement werden in Wissenschaft, Politik und Praxis oft synonym verwendet. Tatsächlich unterscheiden sie sich aber deutlich darin, was genau sie meinen, welche Werte und Vorstellungen dahinterstehen und wie sie jeweils strategisch genutzt werden. Engagement: Sammelbegriff mit strategischer Offenheit „Engagement“ ist der weiteste Begriff und wird oft bewusst bzw. strategisch offen gehalten. Er beschreibt vielfältige Formen nicht-professioneller, gemeinwohlorientierter Tätigkeit – vom klassischen Ehrenamt über Projektarbeit bis hin zu Online-Kampagnen. Gerade diese Offenheit und Vieldeutigkeit macht ihn anschlussfähig: In Politik, Medien und Förderprogrammen steht Engagement meist für positiv besetzte Beteiligung, ohne dass der Begriff theoretisch oder empirisch klar definiert wäre. Diese Offenheit erlaubt es, unterschiedlichste Akteure unter einem gemeinsamen Dach zu versammeln und fördert Inklusion. Allerdings bleibt der Begriff dadurch auch unklar (Schürmann 2013). Organisationen, die sich breit aufstellen oder öffentliche Aufmerksamkeit suchen, greifen deshalb gern auf ihn zurück. Bürgerschaftliches Engagement: Demokratische Mitgestaltung durch Bürger*innen Der Begriff „bürgerschaftliches Engagement“ wurde vor allem durch eine Enquete-Kommission im Jahr 2002 bekannt. Gemeint sind freiwillige, nicht bezahlte Tätigkeiten, die im öffentlichen Raum stattfinden und das Gemeinwohl fördern. Hier steht die Vorstellung im Mittelpunkt, dass

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