Jenseits der Gewohnheit. Mitgliedschaft, Macht und Wandel neu denken

61 Belastungsgrenzen traditioneller Strukturen Neben der zurückgehenden Zahl von Vereinsgründungen sieht sich die organisierte Zivilgesellschaft mit einem anderen Problem konfrontiert, nämlich der Tatsache, dass immer mehr Vereine an ihre Belastungsgrenzen stoßen. Hauptursache dafür sind personelle sowie finanzielle Engpässe. Unzureichende finanzielle und personelle Ressourcen hindern Mitgliedsorganisationen daran, ihre Strukturen zu modernisieren und die Digitalisierung voranzutreiben, um sich so dem gesellschaftlichen Wandel anzupassen. Personelle Ressourcenknappheit ist zum Teil auf den demografischen Wandel zurückzuführen, aber auch darauf, dass Mitgliedsorganisationen immer mehr Schwierigkeiten haben, neue Engagierte und Mitglieder zu gewinnen, die sich langfristig verpflichten möchten. Das ist insbesondere bei der Übernahme von Leitungs- und Vorstandsfunktionen zu beobachten. So gaben über ein Drittel der Vereine an, keine Leitungspositionen an Engagierte unter 30 Jahre vergeben zu haben (Alscher et al. 2013). Dazu kommt, dass die meisten Vereine keine Hauptamtlichen beschäftigen können, da ihnen die finanziellen Ressourcen dazu fehlen. Diese Hauptamtlichen bräuchten sie aber, um beispielsweise zeitintensive administrative Aufgaben zu übernehmen und durch das Beschäftigungsverhältnis eine gewisse Stabilität und Langfristigkeit garantieren zu können (Alscher et al. 2024; Karnick/ Simonson/ Hagen 2022; Schubert et al. 2023). Viele kleine und mittlere Vereine stehen unter starkem finanziellen Druck, da sie oft auf Spenden und Mitgliedsbeiträge angewiesen sind. Die Corona-Pandemie hat dieses Problem für viele Organisationen weiter verschärft. Sie hat zum einen zu einer Reduzierung der Einnahmen geführt. Das betrifft selbsterwirtschaftete Mittel, die aufgrund der Absagen von Veranstaltungen während der Lockdowns zurückgingen, Spenden, Mitgliedsbeiträge und öffentliche Mittel. Zum anderen haben die Corona-Auflagen zu erhöhten Kosten geführt. Darunter fallen Anschaffungen wie Spuckschutzvorrichtungen und Desinfektionsmittel, aber auch, dass Veranstaltungen zeitweilig nur mit weniger Teilnehmenden stattfinden konnten, um einen Mindestabstand zwischen den Personen zu garantieren (Beyer/ Klaudius/ Tahmaz 2021). Größere Verbände haben häufig stabile Förderstrukturen, mit denen sie langfristig planen können. Dagegen beklagen über zwei Drittel der Vereine, dass sie die Entwicklung ihrer Einnahmen nicht klar vorhersehen können (Alscher et al. 2013; Schubert et al. 2023). Eine zusätzliche Herausforderung für Vereine besteht darin, die Anforderungen zu erfüllen, die mit dem Eintrag in das Vereinsregister verbunden sind. Diese sind in den §§ 21 bis 79 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verankert und umfassen rechtliche Normen wie Name, Sitz, Vereinssatzung, Vereinszweck und eine Mindestzahl von sieben Gründungsmitgliedern. Auch wenn die Vereine die Vereinssatzung selbst verfassen, so ist im BGB genau festgehalten welche Inhalte diese enthalten muss und unter welchen Umständen sie verändert werden darf. Die Gemeinnützigkeit des eingetragenen Vereins wird vom zuständigen Finanzamt geprüft. Was unter „gemeinnützige Zwecke“ fällt, ist in der Abgabenordnung (AO) festgelegt (Deutscher Bundestag 2002).

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