Jenseits der Gewohnheit. Mitgliedschaft, Macht und Wandel neu denken

58 Krisen wie diese und deren Auswirkungen auf das Engagement zeigen, dass Engagement dynamisch auf gesellschaftliche Herausforderungen reagiert, aber auch von externen Faktoren stark beeinflusst werden kann. Häufig sind Engagementwellen, die von Ausnahmesituationen wie Pandemien und humanitären Krisen ausgelöst werden, durch eine hohe Anzahl an Engagierten zu Beginn der Krise gekennzeichnet, die aber weder besonders stabil ist noch sich sehr langfristig hält. Gründe dafür können fehlende Strukturen oder Überforderung sowohl auf Seiten der Engagierten als auch bei den zivilgesellschaftlichen Organisationen sein. Für einige Engagierte kann ein solches Engagement schon von Beginn an lediglich für den Zeitraum der akuten Notsituation geplant gewesen sein. Speziell in der Geflüchtetenhilfe können eine strenge Asylpolitik sowie der immense Zeitaufwand, der für Behördengänge und andere bürokratische Tätigkeiten aufgebracht werden muss, bei Engagierten zu Frust und schließlich zur Aufgabe des Engagements führen (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2017b; Karakayali/ Kleist 2015; Kausmann/ Simonson/ Hameister 2022; Van Den Berg et al. 2021). 6.2.4 Motive, Beendigungs- und Hinderungsgründe für Engagement Die Beweggründe für Engagement sind vielschichtig. Für die meisten Engagierten steht der Spaß an erster Stelle, gefolgt von dem Wunsch, anderen Menschen zu helfen, etwas für das Gemeinwohl zu tun, die Gesellschaft mitzugestalten, mit anderen Menschen zusammenzukommen, etwas Gutes zurückzugeben – weil die engagierte Person selbst in der Vergangenheit Empfangende von Engagement war – und Qualifikationen zu erwerben. Weniger häufig wird als Grund für Engagement der Wunsch genannt, an Ansehen und Einfluss zu gewinnen. Etwas dazuzuverdienen ist selten eine Motivation für Engagement. Dabei können sich die Prioritäten und Ausprägungen der Motive für unterschiedliche Personengruppen stark unterscheiden. So ist das Motiv, durch das Engagement neue Qualifikationen zu erwerben, für jüngere Menschen deutlich wichtiger als für ältere Personen. Diese nennen wiederum den Wunsch, im Engagement mit anderen Menschen zusammenzukommen, deutlich häufiger als die jüngeren Altersgruppen. Motive für Engagement verändern sich also nach Lebensphase, da sich Prioritäten und Möglichkeiten je nach beruflicher oder familiärer Situation verschieben. Auch das soziale Netzwerk beeinflusst die Aufnahme eines Engagements. So gibt fast die Hälfte der Engagierten an, von einer anderen Person aus ihrem persönlichen Umfeld gefragt worden zu sein, habe eine Rolle in der Entscheidung für das Engagement gespielt. Um die Fluktuation im Engagement besser zu verstehen, ist es aber auch wichtig, die Beendigungsgründe der ehemals Engagierten zu betrachten. Hier werden hauptsächlich berufliche Gründe, die Tatsache, dass es sich um eine zeitlich begrenzte Tätigkeit gehandelt hat, ein zu großer zeitlicher Aufwand, der Wunsch, keine Verpflichtungen mehr zu haben, familiäre Gründe, das Erreichen einer Altersgrenze sowie gesundheitliche Gründe genannt. Deutlich seltener werden fehlende Anerkennung und Schwierigkeiten innerhalb der Gruppe als Beendigungsgründe genannt. Gerade im Hinblick auf das Erschließen neuer Zielgruppen sollten auch die Hinderungsgründe noch nie engagierter Personen von Mitgliedsorganisationen berücksichtigt werden. Auch hier werden am häufigsten zeitliche Gründe genannt, gefolgt von beruflichen Gründen, dem

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