Jenseits der Gewohnheit. Mitgliedschaft, Macht und Wandel neu denken

53 Auch wenn Engagement in der Forschung gut repräsentiert ist, ist es wichtig hier darauf hinzuweisen, dass auch in der Engagementforschung bestimmte Perspektiven fehlen und einigen Fragestellungen nicht nachgegangen wird. Es fällt auf, dass das Engagement von Menschen mit Behinderung bislang weitgehend unberücksichtigt ist. Das ist im Hinblick auf das inklusionsfördernde Potenzial von Engagement besonders bedauernswert. Im Hinblick auf Engagementformen oder Engagement in Mitgliedsorganisationen speziell ist der aktuelle Stand der Forschung recht oberflächlich. Häufig wird das Engagement in Vereinen und/oder Verbänden untersucht, es fehlen Untersuchungen, die sich mit allen Formen von Mitgliedsorganisationen beschäftigen. Ebenso fehlt eine differenzierte Untersuchung von Engagement in Mitgliedsorganisationen, insbesondere den Wünschen und Erwartungen von Engagierten in Mitgliedsorganisationen. Mit den Daten des Deutschen Freiwilligensurvey könnten beispielsweise die Motive für Engagement nach formellem und informellem Engagement verglichen werden. Das könnte dabei helfen, Engagierte besser zu verstehen und zu analysieren, warum sie sich für eine formelle oder informelle Engagementform entscheiden. Allgemeiner Überblick: Entwicklung über die Jahre und soziodemografische Profile von Engagierten Die Daten des Deutschen Freiwilligensurvey 2019 zeigen, dass die Engagementquote – also der Anteil Engagierter an der Gesamtbevölkerung – in Deutschland in den letzten zwei Dekaden gestiegen ist. Dabei zeichnen sich zwei Plateaus (1999-2009 und 2014-2019) deutlich ab, diese sind allerdings möglicherweise auf die Art der Erhebung von Engagement im Deutschen Freiwilligensurvey zurückzuführen (Simonson et al. 2022b). 2019 sind fast 40 Prozent der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren engagiert. Dabei lässt sich beobachten, dass nicht nur der Anteil engagierter Personen, sondern auch die soziodemografischen Profile dieser Engagierten sich über die Jahre verändert haben. Einige Unterschiede haben sich im Zeitverlauf angeglichen, während andere sich verstärkt haben (Simonson et al. 2022d, 2022b). Der geschlechtsspezifische Unterschied im Engagement ist seit 2019 nicht mehr statistisch signifikant. Das bedeutet, dass Männer sich nicht mehr signifikant häufiger engagieren als Frauen, wie es bis dahin der Fall war. Allerdings bestehen deutliche Unterschiede in den gesellschaftlichen Bereichen, in denen das Engagement ausgeführt wird: Frauen sind eher im sozialen Bereich engagiert, während Männer sich eher in sportlichen oder politischen Organisationen engagieren (Kausmann/ Hagen 2022; Simonson et al. 2022d). Die formale Bildung spielt in der Engagementbeteiligung eine wichtige Rolle: höher gebildete Personen sowie Personen, die noch die Schule besuchen, engagieren sich eher als Menschen mit niedriger oder mittlerer Bildung; dieser Unterschied hat sich über die Jahre sogar verstärkt. Der sozioökonomische Status hat nicht nur in Bezug auf Bildung eine große Bedeutung: Personen mit einem höheren Einkommen und berufstätige Personen engagieren sich eher als Menschen mit einem geringeren Einkommen oder Personen, die nicht erwerbstätig sind. Schließlich hat auch das Alter einen Einfluss auf das Engagement. So sind Personen zwischen 30 und 49 Jahren am ehesten engagiert, gefolgt von den 14- bis 29-Jährigen, den 50- bis 64-Jährigen und den 65-Jährigen und älteren Personen. Hier fällt im Zeitvergleich allerdings auf, dass die älteren Personen sich zwar am seltensten engagieren, aber

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