Jenseits der Gewohnheit. Mitgliedschaft, Macht und Wandel neu denken

40 Früher Einbezug der Betroffenen, Würdigung ihrer Beiträge (Status) und transparente Entscheidungswege (Fairness) sind demnach keine ‚Soft Skills‘, sondern Risikomanagement. Eine Organisation, ein Team funktionieren dann besonders gut, wenn sich alle Mitglieder trauen, ihre Gedanken und Beobachtungen offen zu äußern – unabhängig davon, ob es um Zweifel, Fehler oder konstruktive Kritik geht. Die Harvard-Professorin Amy Edmondson (2018) hat den Begriff der psychologischen Sicherheit geprägt, der ein solches Miteinander beschreibt: Es herrscht eine Atmosphäre, in der niemand befürchten muss, für seine Offenheit bloßgestellt oder bestraft zu werden. Diese Form von Sicherheit ist entscheidend für lebendige Diskussionen und einen produktiven Austausch. Anders als Vertrauen, das vor allem zwischen einzelnen Personen besteht, bezieht sich psychologische Sicherheit auf die ganze Gruppe. Sie bildet die Grundlage dafür, dass Teammitglieder riskieren, Fehler einzugestehen, nach Unterstützung zu fragen oder einen neuen Weg auszuprobieren. Ohne psychologische Sicherheit bleiben wichtige Hinweise und Anregungen oft aus, Experimente geraten zur Pflichtübung und Rückmeldungen werden unterdrückt – Innovationen und Lernfortschritte bleiben dann auf der Strecke. Edmondsons Untersuchungen zeigen, dass offene Kommunikation und Fehlerfreundlichkeit nicht nur Motivation und Innovationskraft stärken, sondern auch die Zusammenarbeit im Team verbessern. Für Führungskräfte heißt das: Offene Gespräche anregen, die eigenen Grenzen zeigen, neugierig bleiben und sich aktiv nach den Gedanken des Teams erkundigen. Nur so entsteht ein Klima, in dem aus Fehlern Lernerfahrungen werden und aus Schweigen keine verlorene Chance wird. Psychologische Sicherheit ist bedeutsam für die Innovationskraft und Kreativität in Organisationen: In Organisationen mit von Seiten der Mitarbeitenden wahrgenommener hohen psychologischen Sicherheit werden neue Vorschläge und auch kritische Stimmen ernstgenommen. So entsteht ein Nährboden für kreatives Denken und für die Entwicklung von Neuem. Fehler werden als Lernchancen betrachtet, nicht als Makel. Das motiviert zum Experimentieren und fördert einen konstruktiven Umgang mit Risiken – ein entscheidender Impuls für Innovation. Wenn jedes Organisationsmitglied weiß, dass die eigenen Beiträge wertgeschätzt werden, steigt die Bereitschaft, sich aktiv einzubringen. Das Spektrum an Perspektiven wird breiter, Lösungen werden vielseitiger. 5.4 Schlüsselpersonen Aus systemischer Sicht handelt es sich um organisationale Rollenträger, die nach Charles Duhigg in allen drei „Ebenen des Gesprächs“– Sachinhalt, Emotion, Identität – anschlussfähige Kommunikation herstellen kann und dadurch Wandel sozial ‚verkabelt‘. Duhigg bezeichnet solche Menschen als „Supercommunicators“ (Duhigg 2023): Sie erkennen blitzschnell, auf welcher Ebene die Interaktion gerade stockt – ist es eine Frage nach Fakten (Was? Wie?), ein Gefühl (Unsicherheit, Ärger) oder eine Identitätsbedrohung (Gehöre ich noch dazu?).

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