36 Das Herzstück dabei ist die Kommunikation. Organisationen sind keine starren Gebilde; ihre Stabilität entsteht immer neu, solange gesprochen, abgestimmt und miteinander weitergedacht wird. Ohne den Austausch, das gemeinsame Beobachten und Interpretieren, gibt es keine verbindlichen Entscheidungen – und somit auch keine Organisation als solche. Kommunikation und Entscheidung sind untrennbar miteinander verwoben, sie strukturieren einander und schaffen gemeinsam die Grundlagen für das Funktionieren einer Organisation. So betrachtet ist eine Organisation kein Ding mit feststehenden Eigenschaften, sondern ein fortdauernder Prozess, bei dem Entscheidungen und Kommunikation sich gegenseitig bedingen und weiterentwickeln. Die Stabilität einer Organisation lebt davon, dass dieser Fluss aufrechterhalten wird. Bleibt er aus, kommt die Organisation zum Stillstand – und löst sich letztlich auf. 5.1.6 Hierarchie und Macht in Organisationen Hierarchie besitzt eine funktionale Seite: Sie bündelt Entscheidungsmacht, trifft das ‚an sich Unentscheidbare‘ und reduziert Handlungsoptionen – notwendig, um Entscheidungsstau in komplexen Organisationen zu vermeiden. Doch Hierarchie ist immer auch ein Machtmechanismus: Sie legt fest, wer bestimmen darf, welche Informationen in Entscheidungen einfließen und wann Abweichungen legitim sind. Aus systemischer Sicht wirkt Macht dabei wie ein Ventil für Komplexität: Je höher die Unsicherheit, desto stärker der Impuls, Entscheidungen an wenige Instanzen zu delegieren. Wird Macht jedoch nicht reflexiv geregelt, kippt das Ventil – es blockiert Rückkopplung und erstickt Lernen (Weber 1964; Lukes 2005). Systemische Konsequenz: Hierarchie erfüllt ihre Filterfunktion nur dann, wenn Machtasymmetrien sichtbar gemacht, verhandelt und periodisch rejustiert werden. Co-Leadership-Modelle operationalisieren diese Prinzipien: Haupt- und Ehrenamt teilen Verantwortung – nicht, weil es ‚demokratischer‘ klingt, sondern weil es die Kreisläufe von Macht, Information und Entscheidung schließt. Erst in diesem Wechselspiel bleibt die Organisation sowohl handlungs- als auch lernfähig, ohne ihre legitimatorische Basis zu verlieren (Lukes 2005). 5.1.7 Spiele, Regeln & Kultur Organisationen funktionieren nicht allein nach den formalen Vorgaben, die in Satzungen oder Dienstanweisungen festgelegt sind. Diese sichtbaren Regeln sind oft nur ein Bruchteil dessen, was tatsächlich den Alltag prägt. Entscheidend sind jene gewachsenen Gepflogenheiten und stillschweigenden Absprachen, die bestimmen, wessen Meinung Gehör findet, wer Einfluss nehmen kann und welche Themen überhaupt zur Sprache kommen dürfen. Solche unterschwelligen Muster setzen einen klaren Rahmen für Entscheidungen und Kommunikation – häufig viel strenger als offizielle Regelwerke jemals könnten (Schein 2017). Man kann sagen: Die offizielle Organisationsstruktur wirkt immer im Zusammenspiel mit der gelebten Kultur, die durch Erwartungen, Rituale und unausgesprochene Tabus geformt ist. Organisationskultur kann als ein unsichtbares Regelwerk beschrieben werden, das das Verhalten leitet,
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