Jenseits der Gewohnheit. Mitgliedschaft, Macht und Wandel neu denken

28 4.9 Auseinandersetzung statt Harmonie Innovation – und damit echte Veränderung – entsteht nicht durch möglichst viel Harmonie, im Gegenteil. Linda Hill (2014) spricht von „creative abrasion“ als Voraussetzung für Innovation – also davon, sich aneinander zu reiben, Unterschiede, Vielfalt und Gegensätze eben nicht einzuebnen, sondern zu betonen und in lebhaften Diskussionen zur Sprache zu bringen. Nicht das methodisch ‚wertneutrale‘ Brainstorming steht dann am Anfang einer Entwicklung, sondern beherzte Auseinandersetzungen, in denen die Beteiligten klar für ihre Ideen und Perspektiven eintreten – und einander aufmerksam zuhören. In innovativen Organisationen, so Linda Hill, wissen die Menschen, dass Innovation nur entsteht, wo sowohl Vielfalt als auch Konflikt vorhanden sind und zur Geltung kommen. Ziel ist nicht zwangsläufig ein Konsens, sondern sind oftmals Lösungen, die ein ‚sowohl als auch‘ zulassen und damit der Vielfalt der Perspektiven und Ausgangslagen innerhalb einer Organisation Rechnung tragen.  Zu Vielfalt und Reflexivität als Voraussetzung von Innovation siehe 7.5.2 Warum siehst Du das so? Warum glaubt Ihr, dass das so richtig oder sinnvoll ist? Und warum sehe ich / sehen wir das ganz anders? Heiko Roehl (2021) formuliert 10 Bedingungen, unter denen Dissens in der Organisationsentwicklung tatsächlich zum Desaster wird – und gibt damit Hinweise, wie Konflikt produktiv wird. Einige seien hier benannt: • Spannung aushalten: “Gegensatzspannung ist ein wichtiger Motor für Innovation. Dazu müssen Interessensgegensätze allerdings ausgesprochen und produktiv gemacht werden. Wenn es immer harmonisch zugehen muss und die kulturellen, heimlichen Spielregeln diktieren, dass Konflikte weichgespült werden, dann gehen wichtige Impulse verloren.“ • Dissens nicht isoliert betrachten: “Jeder Dissens hat eine Geschichte. Und jede Geschichte zu einem Dissens hat ihre eigene Legitimität. ” • Möglichkeitssinn aktivieren: „In jedem Interessensgegensatz liegt die Chance, eine außerhalb der Eingangsinteressen liegende, dritte Lösung höherer Ordnung zu finden.“ Produktiver Dissens und Veränderung

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