24 4.5 Irritation Ein wichtiges Moment für die Entstehung von Veränderung und Innovation ist Irritation. Diese kann durch die Veränderung äußerer Bedingungen geschehen (weil in der Umwelt der Organisation etwas Einschneidendes passiert), durch Veränderung der Rahmenbedingungen in der Organisation, aber auch durch die Perspektiven von Menschen, die neu dazu stoßen oder von einem ganz anderen Standpunkt aus auf die Organisation und ihre Entscheidungen und Kommunikationen blicken. Damit Irritationen ihr ganzes Potential entfalten können, müssen sie allerdings radikal zugelassen werden. Die Expertise von Judith Dubiski (Kapitel 8.4) weist exemplarisch auf Irritationspotenziale hin, die sich aus verschiedenen Studien ergeben: • Was, wenn wir diejenigen, die wir erreichen wollen, nicht als Adressat*innen oder als Zielgruppe sehen, sondern als potenzielle Nutzer*innen unseres Angebots? Wie verändert das den Blick auf das, was sie bei uns (nicht) finden könnten? • Was, wenn wir ernstnehmen, dass unsere etablierten Strukturen, Kulturen und Praktiken bei allem guten Willen möglicherweise dazu führen, dass Menschen und/oder Gruppen sich einer „homogenisierenden Eingliederung“ unterziehen müssen, um teilhaben zu können? • Was, wenn wir ernstnehmen, dass unsere Verbände, unser verbandliches Handeln, unsere Strukturen, unsere Verbands-Sprache, unsere Routinen und Traditionen, eine Aneinanderreihung von Schwellen sind, die den Zugang zu uns erschweren – auch wenn wir selbst sie gar nicht wahrnehmen? Was passiert, wenn wir diese ganz fremde Perspektive, diesen verrückten Gedanken, diese provozierende Frage ernstnehmen und konsequent zu Ende denken? • Er verweist auf den Moment der Irritation durch einen Reiz oder eine Störung, • er beschreibt die unmittelbare Reaktion auf diesen Reiz: dann ist „Irritation“ bspw. ein Synonym zu Erregtheit oder Verärgerung, • und er benennt die – ggf. länger andauernde – Folge: Irritation als Zustand der Verwirrung oder Verunsicherung. In allen drei Bedeutungen gilt Irritation als etwas Negatives, was so schnell wie möglich wieder beendet oder beseitigt werden muss. Als Impuls für Veränderung aber ist Irritation in allen drei Dimensionen zentral und kann produktiv wirken: Das Gegebene und Gewohnte wird, beispielsweise durch ein Ereignis von außen, gestört. Es kommt zu einem Moment der Aufgeregtheit und vielleicht auch der Verärgerung. Das Potenzial von Irritation liegt dann gerade in der länger andauernden Verunsicherung des bisher als selbstverständlich Betrachteten. Der Begriff „Irritation“ bedeutet zunächst dreierlei (vgl. DWDS):
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