Jenseits der Gewohnheit. Mitgliedschaft, Macht und Wandel neu denken

133 Orte wie Tagungen, Ausschuss- oder Mitgliedersitzungen, an denen auch die Einhaltung von Sprechweisen, informellen Verfahren und Ritualen darüber entscheiden, ob Teilhabe gewährt werden kann oder nicht – vereinfacht gesagt: ob man als Organisation ‚mitspielen darf‘ oder nicht. Die Forscher*innen sprechen hier von der Prüfung als weiterem Moment, in dem laufend unter Beweis gestellt werden muss, dass man sich als kollektives Subjekt zu den in der Jugendverbandslandschaft als wichtig erachteten Themen verantwortungsbewusst verhalten und den Erwartungen gerecht werden kann: „Daher werden Gespräche geführt und Berichte verfasst; Prozesse, interne Debatten und Themen dokumentiert und für die Öffentlichkeit der Jugendverbände nachvollziehbar gemacht. Es werden Präsentationen gehalten, die eigenen Inhalte medial aufbereitet und Stellungnahmen veröffentlicht.“ (Bonus/Cano/Wenzler 2021: 332) Die Absurdität dieser Prüfung und die darin enthaltene Unterwerfung unter bestehende Normen wird besonders deutlich in folgendem Zitat einer im Forschungsprojekt interviewten Person aus einer Selbstorganisation: „Also ja, vielleicht verspürt man einfach so einen Druck, sich irgendwie besonders offen auch darzustellen, was wir sowieso SIND. Aber das besonders kundzutun, was irgendwie so ein bisschen so paradox ist, weil wir das eigentlich wollen, weil wir das als selbstverständlich sehen. Aber trotzdem ist der Druck irgendwie da und sich auch so zu präsentieren, dass die Leute sagen ‚Okay, das sind auch nur (lachend) ganz normale Menschen (…)‘.“ (zit.n. ebd.: 332) Die Erkenntnisse des SOUNDS-Projekts machen also deutlich: Die Mitgliedschaft einer Organisation in der Verbandslandschaft und – so lässt sich vermuten – einer einzelnen Person in einem Verein oder Verband bedeutet ein Eingliedern in eine etablierte weiße (oft männlich geprägte) Struktur der Mehrheitsgesellschaft, ein Überführen heterogener Subjekte in eine Singularform. Mitglied zu werden setzt eine „Transformation“ im Sinne einer „homogenisierenden Eingliederung“ voraus. Die oben formulierte Frage nach der Tauglichkeit und Gebrauchbarkeit dessen, was Vereine und Verbände „anzubieten“ haben, erhält dadurch eine weitere Wendung: Kann es für Individuen und Gruppen überhaupt tauglich und gebrauchbar – und damit erstrebenswert – sein, an etwas teilzuhaben, das eine solche Transformation und Homogenisierung voraussetzt? Können Vereine und Verbände, zu deren Grundwerten die Förderung einer offenen und vielfältigen Gesellschaft, Solidarität und Partizipation gehören, Teil eines Systems sein wollen, das Transformation und Homogenisierung erfordert? Und wenn nicht: Was können sie selbst dazu beitragen, dass sich die Strukturen gegenüber Organisationen und dass sie als Verbände sich gegenüber Individuen so öffnen, dass nicht die Hinzukommenden sich transformieren müssen, sondern das Bestehende sich verändert?

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