126 die es einer gewissen Expertise und umfangreicher Zeitressourcen bedarf, über die das Hauptamt eher verfügt als das Ehrenamt. Diese Wechselseitigkeit ist jedoch nur theoretisch gleichwertig ausbalanciert und hat verschiedene Implikationen: Ein stark ausgebautes Hauptamt droht sich vom Ehrenamt zu entkoppeln, wenn es aufgrund der zeitlichen Ressourcen und damit gegebenen Aufmerksamkeit bestimmte Themen, Prozesse und Entscheidungen mit einem Nachdruck vorantreiben kann, bei dem das Ehrenamt nicht mehr hinterherkommt. Praktisch findet Entkopplung schon darin statt, dass Hauptamtliche zu anderen Tageszeiten arbeiten und Dinge vorantreiben (können) als Ehrenamtliche, deren Engagement naturgemäß oft abends und am Wochenende stattfindet. Die Kehrseite der Übernahme voraussetzungsvoller Aufgaben durch das Hauptamt ist, so wird es auch von Hauptamtlichen selbst berichtet, dass dem Ehrenamt tendenziell zu wenig zugetraut wird. Ehrenamt erfüllt seinen Sinn für viele Engagierte aber eher, wenn sie dabei selbständig und eigenverantwortlich agieren können, anstatt Vorgegebenes und Vorgedachtes abzuarbeiten. Neben der oben beschriebenen Unterstützung in administrativen und strukturellen Fragen und einer entsprechenden ‚Dienstleistungsfunktion‘ sehen sich die oberen Verbandsebenen auch in der Rolle, politische und konzeptionelle Impulse zu setzen. Fachlich als relevant erachtete Themen und Entwicklungen, die sich mit dem Anspruch von Professionalität verknüpfen, werden so auch auf die Verbandsebene und damit die Ehrenamtlichen übertragen – beispielsweise, wenn ‚interkulturelle Öffnung‘ als Anforderung und Anspruch formuliert wird. Dem liegt offenbar die Annahme zugrunde, dass die dahinter stehenden gesellschaftlichen Entwicklungen nicht von selbst vor Ort aufschlagen und ‚bottom-up‘ zum Thema werden. Insgesamt stellen sich damit Fragen der innerverbandlichen Demokratie: Wer hat tatsächlich wieviel Gestaltungsmacht und Entscheidungsgewalt, wenn Fachexpertise und Ressourcen ungleich verteilt sind? Welche Abstimmungs- und Beteiligungsformate sind notwendig, um diese Ungleichheiten und Ungleichzeitigkeiten auszutarieren? Wie kann Befähigung Ehrenamtlicher stattfinden, Verantwortung angemessen verteilt werden, Entwicklung ‚von unten‘ ermöglicht werden? Wie bleibt das Verhältnis zwischen Ehren- und Hauptamt ein dynamisches? 8.3.5 Hypothese E: Bestehende verbandliche und rechtliche Strukturen bremsen echte Veränderung. Über das Moment der Mitgliedschaft und das etablierte Verhältnis zwischen Haupt- und Ehrenamt hinaus lässt sich insgesamt konstatieren, dass bestehende verbandliche und rechtliche Strukturen Veränderung verhindern oder zumindest bremsen. Die oben schon formulierte Frage, welche der administrativen Anforderungen tatsächlich erfüllt werden müssen und wovon man sich ggf. auch befreien könnte, deutet schon darauf hin, dass grundlegende strukturelle Veränderungen auch Veränderungen beispielsweise im Vereinsrecht voraussetzen oder nötig machen würden. Rechtliche Änderungen lassen sich zwar natürlich nicht einfach von den Verbänden selbst beschließen, doch wäre eine Identifikation hilfreicher Veränderungen und eine Formulierung von
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