Jenseits der Gewohnheit. Mitgliedschaft, Macht und Wandel neu denken

123 8.3 „Es gibt kein Erkenntnisproblem.“ – Hypothesen und Fragen zum Weiterdenken Im Verlauf der ersten Phase des Projekts – vom konstituierenden Beiratstreffen im November 2024 über einen Workshop mit den Beiratsmitgliedern und einigen Ehrenamtlichen bis zum ersten Fachgespräch im März 2025 – ergaben sich Erkenntnisse, die im Folgenden in Form von Hypothesen und Fragen formuliert werden. Gemeinsam mit den beiden anderen für das Projekt erstellten Expertisen (Arriagada 2025; Haas 2025) bieten sie eine Grundlage für die weitere Reflexion im Projekt und darüber hinaus. 8.3.1 Hypothese A: Alle Überlegungen, Beobachtungen und Entwicklungen finden kontextbezogen statt, insbesondere in gesellschaftlichen Kontexten. Entwicklungen in den Verbänden, in den einzelnen Gliederungen und Gruppen sind immer rückgebunden an den jeweiligen gesellschaftlichen, lokalen, auch persönlichen Kontext. Dieser muss berücksichtigt werden, darf aber zugleich nicht als ‚Entschuldigung‘ dafür dienen, dass sich nichts verändern könne. Die Zukunftsfähigkeit der Mitgliedsorganisationen ist immer auch eine innere Aufgabe und nicht nur eine Frage der strukturellen, finanziellen, politischen Rahmenbedingungen. Die Innensicht in die Verbände, die oftmals eher als lästig oder unnötig abgetane Beschäftigung der Verbände ‚mit sich selbst‘ ist deshalb essenziell. Die Verbände brauchen Wissenstransfer und das Erzählen von Geschichten über sich selbst, über Ideen, Gelungenes und Misslungenes – weil dieses Erzählen auch verhindert, dass an einer Stelle erdachte Muster und Strukturen als neuer Standard anderen übergestülpt werden können. Das an vielen Stellen gut eingeübte Geschichtenerzählen und Über-sich-selbst-Nachdenken führt andererseits zu dem Eindruck: Wir haben schon lange kein Erkenntnisproblem mehr in der Frage danach, was passieren und sich verändern müsste – aber wir haben offensichtlich ein Umsetzungsproblem. 8.3.2 Hypothese B: Das Moment der ‚Mitgliedschaft‘ ist einerseits notwendig und andererseits ein zentrales Hindernis. Aktuellen Forschungsergebnissen – und dem Alltagswissen von Haupt- und Ehrenamtlichen – zufolge ist die Idee der Mitgliedschaft vor allem bei jungen Menschen eher ein Auslaufmodell. Beispielsweise der Zuwachs an Mitgliedern, den politische Parteien in den Monaten nach dem Bruch der Ampel-Koalition Ende 2024 erlebt haben, zeigt aber auch: unter bestimmten Bedingungen sehen bestimmte Gruppen der Bevölkerung eine Mitgliedschaft durchaus noch als Mittel der

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