Jenseits der Gewohnheit. Mitgliedschaft, Macht und Wandel neu denken

103 7.6.2 Begriffe als strategische Instrumente der Organisationsentwicklung Gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Pluralisierung von Engagementformen kommt der Begriffspolitik eine zentrale Rolle zu. Organisationen, die ihre Begriffe gezielt reflektieren und strategisch anpassen, schaffen nicht nur bessere Anschlussfähigkeiten an unterschiedliche Zielgruppen, sondern fördern auch intern ein offeneres Verständnis von Teilhabe und Rollenvielfalt. Drei strategische Implikationen lassen sich daraus ableiten: 1. Begriffliche Klarheit und Passung herstellen: Organisationen sollten aktiv reflektieren, welche Begriffe sie verwenden – und warum. Dabei geht es nicht um akademische Haarspalterei, sondern um praktische Wirkungen: Wer spricht wie über Mitgestaltung? Wer wird wie adressiert? Begriffliche Klarheit ermöglicht es, Angebote gezielt zu differenzieren und externe wie interne Erwartungen transparenter zu gestalten. 2. Inklusion durch Vielfalt der Begriffe fördern: Unterschiedliche Zielgruppen fühlen sich von unterschiedlichen Begriffen angesprochen. Durch eine bewusste Vielfalt in der Kommunikation – z.B. die gleichzeitige Verwendung von „Mitglied“, „Engagierte“ und „Fördernde“ – können Organisationen Brücken schlagen zwischen tradierten Strukturen und neuen Beteiligungsformen. 3. Identitätsbildung und Selbstverständnis stärken: Begriffe wirken nach innen wie außen. Sie stiften Identität, Orientierung und Zugehörigkeit. Ein reflektierter Sprachgebrauch unterstützt damit die strategische Entwicklung der Organisation, weil er nicht nur externe Kommunikation, sondern auch interne Kultur prägt. Die bewusste Auseinandersetzung mit Sprache wird damit zu einem integralen Bestandteil zukunftsfähiger Organisationsentwicklung. Sprachpolitik ist Strukturpolitik – und sollte entsprechend strategisch gestaltet werden. 7.6.3 Lösungsansatz: Balancierte Governance und differenzierte Angebote Die Antwort liegt nicht im Verzicht auf Struktur, sondern in ihrer klugen Weiterentwicklung. Das Konzept der balancierten Governance bietet hier einen zielführenden Rahmen. Es verbindet Stabilität mit Offenheit, feste Grundprinzipien mit flexiblen Beteiligungsformaten. Konkret bedeutet dies: Neben klassischen Mitgliederversammlungen braucht es partizipative Formate wie Open Spaces, Co-Kreation-Workshops oder digitale Strategiekonferenzen, die Selbstorganisation ermöglichen und Raum für Eigenverantwortung schaffen. Auch die Entwicklung zielgruppenspezifischer Engagementmodelle wird zur Schlüsselstrategie. Durch modularisierte Angebote – vom Mikro-Engagement bis zur dauerhaften Mitgliedschaft – können verschiedene Lebenslagen und Motivationen adressiert werden. Unterstützend wirken hier Zielgruppen-Personas, die helfen, passgenaue Formate zu gestalten und individuelle Bedürfnisse ernst zu nehmen.

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