Jenseits der Gewohnheit. Mitgliedschaft, Macht und Wandel neu denken

101 7.5.3 Rollentypologien als Grundlage für differenzierte Strukturentwicklung Die Vielfalt heutiger Engagementformen spiegelt sich auch in den Rollenbildern der Engagierten wider. Für Organisationen eröffnet sich damit die Chance, ihre Strukturen gezielt auf unterschiedliche Beteiligungstypen auszurichten. Forschungen zu Engagementmotiven und -formen belegen, dass eine differenzierte Typologie entscheidend ist, um neue Zielgruppen anzusprechen und bestehende Mitglieder langfristig zu binden (Hustinx/Lammertyn 2003). Der*die „klassische Ehrenamtliche“ bildet nach wie vor das Rückgrat vieler Organisationen. Diese Gruppe zeichnet sich durch langjährige Bindung, tiefes Organisationswissen und häufige Übernahme von Leitungsfunktionen aus. Gleichzeitig wächst die Zahl der temporär Projektaktiven, die sich zeitlich befristet und aufgabenbezogen einbringen. Sie suchen Gestaltungsfreiheit, schnelle Rückmeldungen und konkrete Wirkungserlebnisse. Erfolgreiche Organisationen entwickeln hierfür parallele Angebotsformate, die sowohl dauerhafte Verantwortungsübernahme als auch flexible Projektarbeit ermöglichen (Kienle/ Klages, 2020). Auch die Gruppe der fördernden Mitglieder ohne Mitgestaltung bietet unterschätztes Potenzial. Während sie bislang primär als finanzielle Unterstützer*innen wahrgenommen wird, kann sie durch symbolische Beteiligungsformate, Feedbackschleifen und gezielte Einladungen stärker eingebunden werden. Studien zeigen, dass bereits kleine Beteiligungsanreize emotionale Bindung und langfristige Unterstützung signifikant steigern können (Wymer/Starnes 2001). Eine besonders spannende Rolle kommt den hybriden Engagierten zu: Menschen, die flexibel zwischen verschiedenen Engagementformen wechseln – heute als Spender*in, morgen als digitale*r Moderator*in, übermorgen als Teilnehmende*r an lokalen Projekten. Diese Flexibilität bietet ein enormes Innovationspotenzial und macht hybride Engagierte zu Brückenbauer*innen zwischen analogen und digitalen Räumen (Milovanovic et al. 2022). Organisationen können dieses Potenzial heben, indem sie kombinierte Rollenprofile entwickeln, flexible Mitgliedschaftsmodelle anbieten und digitale Plattformen zur Integration nutzen. Die differenzierte Betrachtung dieser Rollentypologien unterstützt nicht nur die interne Strukturentwicklung, sondern ist auch ein Schlüssel zur zielgruppenspezifischen Ansprache. Sie ermöglicht es Organisationen, ihre Angebote passgenau zuzuschneiden, Erwartungen zu klären und individuelle Motivationen gezielt zu adressieren. Damit wird Vielfalt zur Stärke – und Verbandsentwicklung zum bewusst gestalteten Prozess. Die strategischen Überlegungen verdeutlichen: Zukunftsfähigkeit entsteht nicht zufällig, sondern aus der bewussten Balance zwischen Offenheit und Stabilität, zwischen Innovation und Tradition. Im abschließenden Kapitel wird deshalb zusammengeführt, was die einzelnen Bausteine der Expertise ergeben haben. Das Fazit bündelt die zentralen Erkenntnisse und zeigt, wie Verbände den Weg von der Herausforderung zur lernenden Organisation gestalten können – als strategischer Leitfaden für eine nachhaltige und inklusive Weiterentwicklung.

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