Jenseits der Gewohnheit. Mitgliedschaft, Macht und Wandel neu denken

100 Dabei arbeiten Mitglieder, Engagierte, Fördernde, Hauptamtliche und auch externe Partner wie Zielgruppenvertreter*innen oder Kooperationspartner aktiv zusammen, um die Zukunft der Organisation mitzugestalten. Ziel ist es, Erfahrungen und Perspektiven frühzeitig zu bündeln, Verantwortung zu teilen und innovative Ansätze für die Weiterentwicklung der Organisation zu schaffen. Anders als bei klassischen Beteiligungsformaten, die oft erst in der Umsetzungsphase greifen, setzt Co-Kreation schon bei der Problemanalyse und Konzeptentwicklung an. Engagierte werden nicht als „Erfüllungsgehilfen“ bestehender Programme verstanden, sondern als gleichberechtigte Mitgestalter*innen. Studien zeigen, dass heterogene Gruppen in Co-Kreationsprozessen durch die Vielfalt ihrer Perspektiven zu innovativeren und bedarfsgerechteren Lösungen kommen – und sich stärker mit den Ergebnissen identifizieren. Ko-Produktion und Co-Kreation beschreiben dabei unterschiedliche, aber komplementäre Formen der Zusammenarbeit zwischen Organisationen, Mitgliedern, Engagierten oder Fördernden. Ko-Produktion bezieht sich vor allem auf die gemeinsame Erbringung von Leistungen – etwa wenn Engagierte aktiv an der Umsetzung von Angeboten beteiligt sind. Im Fokus steht hier die Verbesserung von Qualität, Effizienz und Nutzerorientierung bestehender Dienstleistungen. Co-Kreation hingegen setzt wie beschreiben bereits früher an und bezeichnet die gemeinsame Entwicklung neuer Ideen, Konzepte oder Formate. Mitglieder und weitere Beteiligte werden von Beginn an in kreative Prozesse eingebunden, um Innovationen zu fördern und gemeinsam Mehrwert zu schaffen. Beide Ansätze eröffnen Verbänden die Möglichkeit, ihre Mitglieder und Engagierten nicht nur als Empfänger*innen, sondern als aktive Mitgestaltende zu begreifen – und damit die eigene Organisation partizipativer, zukunftsorientierter und resilienter aufzustellen. (Voorberg et al. 2015; Ansell/Gash 2008; Fung 2015). Ergänzend dazu gewinnt das Konzept der strukturellen Reflexivität an Bedeutung. Reflexive Organisationen sind in der Lage, eigene Routinen, implizite Normen und Machtverhältnisse kritisch zu hinterfragen und zu verändern. Sie verstehen Wandel nicht als Ausnahmezustand, sondern als permanente Notwendigkeit organisationalen Lernens (Strachwitz et al. 2020). Indem sie etwa regelmäßig überprüfen, ob ihre Verfahren unbeabsichtigt bestimmte Gruppen ausschließen oder Potenziale übersehen, schaffen sie Offenheit für Diversität und Innovation. Diese Offenheit verlangt Mut: Organisationen müssen bereit sein, Kontrolle abzugeben und Unsicherheiten auszuhalten. Forschungen zu hybriden Organisationsmodellen bestätigen, dass genau diese Bereitschaft zur Flexibilität ein entscheidender Faktor für langfristige Innovationsfähigkeit ist (Brandsen/Pestoff 2006). Erfolgreiche Organisationen kombinieren bestehende Strukturen mit neuen Formen der Beteiligung und schaffen so ein Gleichgewicht zwischen Stabilität und Dynamik. Co-Kreation und strukturelle Reflexivität bilden somit zentrale Bausteine einer zukunftsfähigen Engagementstrategie. Sie ermöglichen nicht nur, neue Zielgruppen anzusprechen, sondern fördern auch die organisationale Resilienz. Indem Verbände Wandel nicht als Bedrohung, sondern als Chance zur Weiterentwicklung begreifen, legen sie den Grundstein für eine nachhaltige, inklusive und dynamische Engagementkultur.

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