Jenseits der Gewohnheit. Mitgliedschaft, Macht und Wandel neu denken

99 gezielt integriert, stärkt so nicht nur die Resilienz der eigenen Struktur, sondern erhöht auch die Anschlussfähigkeit an sich wandelnde gesellschaftliche Erwartungen. Gleichzeitig bleiben verbindliche Rahmenbedingungen unerlässlich – doch sie sollten nicht als starre Vorgaben, sondern als Ermöglichungsstrukturen verstanden werden. Mitgliedsverbände schaffen damit einen „Ordnungsrahmen“, der Orientierung gibt, ohne Engagement zu normieren (BMFSFJ 2015). Hauptamtliche Strukturen können hier als Moderator*innen wirken: Sie sichern die Qualität, unterstützen die Integration neuer Formate und fördern zugleich die Eigenverantwortung und Selbstorganisation der Engagierten. Forschungen zu Ko-Produktion und hybriden Organisationsmodellen betonen, dass solche moderierenden Rollen zentrale Voraussetzungen für gelingende Koproduktion sind (Brandsen/Pestoff 2006). Die strategische Herausforderung besteht also darin, Flexibilität und Verlässlichkeit nicht als Gegensätze, sondern als komplementäre Prinzipien zu gestalten. Organisationen, die diese Balance erreichen, erschließen nicht nur neue Zielgruppen, sondern öffnen auch Innovationsräume für die eigene Weiterentwicklung. Diese „organisationalen Lernräume“ werden in der aktuellen Forschung als zentrale Bedingung für die Zukunftsfähigkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen herausgestellt (Strachwitz et al. 2020). Diese Entwicklung verdeutlicht: Organisationen sind heute gefordert, sich als lernende Systeme zu begreifen, die nicht nur externe Veränderungen adaptiv aufnehmen, sondern interne Veränderungsprozesse aktiv gestalten. Die Herausforderung besteht dabei nicht allein in der Schaffung flexibler Formate oder niedrigschwelliger Angebote – sie reicht tiefer. Gefragt ist ein Kulturwandel, der die Öffnung gegenüber neuen Zielgruppen nicht nur als strategische Notwendigkeit, sondern als integralen Bestandteil der eigenen Identität versteht. 7.5.2 Co-Kreation und strukturelle Reflexivität als Hebel für Zukunftsfähigkeit Die Erfahrungen aus innovativen Engagementformaten zeigen klar: Dort, wo Organisationen bereit sind, Gestaltungsmacht zu teilen, Kommunikation zu öffnen und Beteiligung als gemeinschaftliche Entwicklung zu verstehen, entstehen nicht nur neue Formate, sondern auch ein grundlegender kultureller Wandel. Co-Kreation fördert nachweislich die Identifikation der Engagierten mit der Organisation, steigert ihre Motivation und führt zu nachhaltigeren Lösungen (Brandsen et al. 2016). Für klassische Mitgliedsverbände bedeutet dies weit mehr als die Einführung einzelner partizipativer Methoden; es erfordert eine umfassende Reflexion der eigenen Organisationslogik. Fragen wie: „Wer wird einbezogen? Wer definiert die Regeln? Wie offen sind Entscheidungsprozesse tatsächlich?“ müssen kontinuierlich gestellt werden, um Inklusion zu fördern und Innovationspotenziale zu heben. Das Konzept der Co-Kreation bietet dabei einen besonders wirksamen Ansatz. Er bezeichnet in diesem Zusammenhang die gemeinschaftliche Entwicklung von Ideen, Lösungen oder Strukturen durch verschiedene Akteure innerhalb und außerhalb von Verbänden.

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