Jenseits der Gewohnheit. Mitgliedschaft, Macht und Wandel neu denken

96 Ein zentrales Erfolgskriterium besteht in der Wahl passender Ansprachekanäle. Verschiedene Zielgruppen bevorzugen unterschiedliche Kommunikationswege: Während klassische Mitglieder oft auf persönliche Ansprache oder Printformate reagieren, sind insbesondere junge Erwachsene, digitalaffine Personen und Mikro-Engagierte über soziale Medien, Messenger-Dienste oder Community-Plattformen leichter erreichbar. Die Nutzung von Formaten wie Instagram-Stories, themenspezifischen Podcasts oder TikTok-Videos ist dabei längst kein Experiment mehr, sondern ein empirisch belegter Zugang zu jüngeren Zielgruppen (EPALE 2024). Hier kommt dem Hauptamt eine Schlüsselfunktion zu: Hauptamtliche agieren als kommunikative Brückenbauer*innen, die nicht nur die Außenkommunikation gestalten, sondern auch intern für die Wahrnehmung neuer Zielgruppen sensibilisieren und deren Rückmeldungen ins Organisationslernen einspeisen. Mindestens ebenso wichtig sind flexible Einstiegsformate, die besonders für neue Zielgruppen den Erstkontakt erleichtern. Menschen, die bislang keinen Bezug zu Verbänden hatten oder Engagement zunächst unverbindlich testen möchten, profitieren von Formaten wie „Schnupper-Mitmachen“, temporären Rollen in Projekten oder offenen Werkstätten. Solche Angebote senken die Einstiegshürde und erlauben potenziell Engagierten, erste Erfahrungen mit der Organisation und ihrer Kultur zu sammeln. Studien zeigen, dass diese niedrigschwelligen Zugänge ein wichtiger Indikator für spätere Vertiefung des Engagements sind (Milovanovic et al. 2022). Erfolgreiche Engagementstrategien berücksichtigen außerdem die Diversität der Erwartungen an Engagement. Unterschiedliche Zielgruppen suchen nach unterschiedlichen Erlebnissen: Manche erwarten persönliche Anerkennung, andere möchten konkrete Wirksamkeit erfahren oder soziale Netzwerke aufbauen. Eine sensible Anerkennungskultur sollte deshalb sowohl kleine als auch große Beiträge sichtbar machen, individuelle Motivationen aufgreifen und Erfolge regelmäßig kommunizieren. Tools wie personalisierte Feedbacks, Projektgeschichten oder digitale Dankesformate stärken die Bindung und fördern langfristige Beteiligung (Schürmann 2013). Ein weiteres zentrales Erfolgskriterium ist die Transparenz der Wirkung des Engagements. Gerade jüngere und digitalaffine Zielgruppen möchten verstehen, welchen Unterschied ihr Einsatz macht. Partizipative Wirkungsberichte, regelmäßige Updates zu Projektfortschritten oder direkte Rückmeldungen zur Bedeutung einzelner Beiträge schaffen hier Klarheit und Motivation. Auch digitale Plattformen können hierbei unterstützen, etwa indem sie Fortschritte sichtbar machen oder Engagement durch Badges und Visualisierungen auszeichnen (Strachwitz 2020). Zusammenfassend lässt sich festhalten: Erfolgreiche Zielgruppenansprache ist mehrdimensional. Besonders wichtig ist, dass diese Faktoren nicht isoliert, sondern im Zusammenspiel betrachtet werden. Nur wenn Kommunikation, Partizipation und Anerkennung aufeinander abgestimmt sind, gelingt es Organisationen, neue Zielgruppen nicht nur kurzfristig zu erreichen, sondern nachhaltig zu binden. Im Zusammenspiel mit den in Kapitel 4.2 beschriebenen Engagementformen wird also deutlich: Die Zukunft verbandlicher Strukturen könnte in einer offenen, adaptiven Organisation liegen, die die Vielfalt gesellschaftlicher Lebensstile aktiv anerkennt und darauf mit flexiblen Beteiligungsmöglichkeiten antwortet. So wird Engagement nicht nur vielfältiger, sondern auch inklusiver, wirksamer und zukunftsgerichtet. Die Vielfalt neuer Zielgruppen und Engage-

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