95 nity Assemblies. In der Forschung werden sie daher zutreffend als „kulturelle Labore“ oder „zivilgesellschaftliche Innovationsressourcen“ bezeichnet, in denen gesellschaftlicher Wandel im Kleinen erprobt wird. Für klassische Mitgliedsverbände ergibt sich aus diesem Trend ein doppeltes Potenzial. Einerseits können sie von diesen innovativen Praxisfeldern lernen – etwa durch Kooperationen, personelle Überschneidungen oder gemeinsame Projekte, die neue Zielgruppen an die Verbände heranführen. Andererseits fordern diese Initiativen sie heraus, die eigene Struktur und Kultur kritisch zu hinterfragen und weiterzuentwickeln, um anschlussfähig an neue gesellschaftliche Dynamiken zu bleiben. Drei zentrale Lernfelder für Mitgliedsverbände lassen sich ausmachen: • Erstens die Weiterentwicklung der Partizipationskultur: Während viele Verbände noch immer auf formalisierte Beteiligungsformate wie Mitgliederversammlungen setzen, experimentieren lokale Initiativen längst mit prozessorientierten und kontinuierlichen Beteiligungsformen. Methoden wie Open Space, Co-Kreation-Workshops oder digitale Beteiligungsplattformen eröffnen hier neue Wege der Programm- und Kampagnenentwicklung und ermöglichen eine stärkere Teilhabe breiterer Bevölkerungsschichten (Milovanovic et al. 2022). • Zweitens die Diversifizierung von Zugängen und Anspracheformaten: Urbane Initiativen sprechen ihre Zielgruppen oftmals über informelle Kanäle wie Social Media, Begegnungen im öffentlichen Raum oder spontane Netzwerktreffen an. Sie verzichten bewusst auf Mitgliedschafts- oder Beitragspflichten und bieten niedrigschwellige Mitmachgelegenheiten. Auch Mitgliedsverbände können hier von Formaten wie „Schnupper-Mitgliedschaften“, temporären Projektmitgliedschaften oder offenen Beteiligungsangeboten profitieren, um neue Zielgruppen zu erreichen und Beteiligungshürden abzubauen (EPALE 2024). • Drittens die Flexibilisierung der Rollenverhältnisse zwischen Haupt- und Ehrenamt: Während klassische Verbände häufig an klaren Rollentrennungen festhalten, arbeiten viele lokale Initiativen in kooperativen, dynamischen Teams, bei denen Hauptamtliche weniger als Weisungsbefugte auftreten, sondern als Facilitator*innen oder Ressourcencoaches. Sie begleiten Prozesse, fördern Engagement und unterstützen Ehrenamtliche in der eigenverantwortlichen Umsetzung ihrer Ideen. Dieses Rollenverständnis kann auch für Verbände wertvoll sein, um agiler, attraktiver und anschlussfähiger für neue Engagierte zu werden (BMFSFJ 2015). 7.4.4 Erfolgsfaktoren für die Zielgruppenansprache Aus den Erkenntnissen zu veränderten Erwartungen, neuen Formen und transformativen Räumen lassen sich Erfolgsfaktoren für die Zielgruppenansprache ableiten. Die Ansprache und Gewinnung neuer Zielgruppen ist keine rein kommunikative Herausforderung, sondern ein zentraler Bestandteil strategischer Organisationsentwicklung. Wie aktuelle Studien zeigen, entscheiden heute nicht mehr allein das Thema oder die Ziele einer Organisation über Engagementbereitschaft, sondern vor allem die erlebte Anschlussfähigkeit der Organisation an individuelle Lebensrealitäten und Erwartungshorizonte (Strachwitz et al 2020).
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