Jenseits der Gewohnheit. Mitgliedschaft, Macht und Wandel neu denken

94 7.4.3 Lokale Innovationsräume und urbane Mischformen als Lernorte – Impulse für klassische Mitgliedsverbände In den vergangenen Jahren sind vermehrt alternative Räume und Strukturen des zivilgesellschaftlichen Engagements entstanden, die klassische Mitgliedsverbände nicht nur herausfordern, sondern zugleich bereichern können. Besonders in urbanen Kontexten entwickeln sich sogenannte zivilgesellschaftliche Mischformen: Initiativen, Netzwerke oder Projekte, die formale Strukturen wie Trägervereine oder gemeinnützige Anerkennungen mit offenen, niedrigschwelligen Beteiligungsformen kombinieren. Beispiele für diese hybriden, urbanen Innovationsräume sind etwa offene Werkstätten, Urban Commons-Initiativen oder FabLabs, die eine Mischung aus gemeinschaftlicher Infrastruktur, niedrigschwelligen Mitmachformaten und sozialer Innovation bieten. Offene Werkstätten sind dabei mehr als nur Orte handwerklicher Produktion: Sie werden in der Forschung als Katalysatoren für soziale und technische Innovationen verstanden, in denen Menschen unterschiedlicher Hintergründe gemeinsam an Lösungen arbeiten, die sie direkt in ihren Alltag integrieren können (Simons et al. 2016). FabLabs (Fabrication Laboratories) gelten als die „Urform der offenen Werkstätten“ und vereinen technische Infrastruktur mit partizipativer Gestaltung und offener Wissensproduktion. Sie ermöglichen insbesondere zielgruppenoffene Beteiligung, da sie sich explizit an ein breites Spektrum von Nutzer*innen wenden – von Hobbybastler*innen über Studierende bis hin zu professionellen Entwickler*:innen. Durch diese Offenheit wird Community Building auf Augenhöhe möglich, und es entstehen kooperative Innovationsräume, die über klassische Mitgliedschaft hinausgehen (Muschard 2022). Hier werden unternehmerische Kooperationen, ehrenamtliches Engagement und Community Building intelligent miteinander verzahnt, um eine möglichst breite Partizipation und nachhaltige soziale Innovationen zu fördern (Beckamp/Schlieter 2020). Solche Formate verdeutlichen nicht nur, wie traditionelle Grenzen zwischen Haupt- und Ehrenamt, Mitgliedschaft und loser Beteiligung überwunden werden können, sondern auch, wie lokale Verankerung und globale Vernetzung kombiniert werden, um Innovationen sowohl im Quartier als auch überregionale Strahlkraft zu ermöglichen. Anders als klassische Mitgliedsverbände benötigen diese Formate häufig keine formelle Mitgliedschaft. Zugehörigkeit entsteht hier vielmehr durch aktive Mitgestaltung, geteilte Anliegen und gemeinsames Erleben. Diese offene Struktur spricht vor allem Menschen an, die sich in traditionellen Verbandsformen nicht repräsentiert fühlen – insbesondere junge Erwachsene, Menschen mit Migrationsgeschichte oder Berufstätige mit begrenztem Zeitbudget (Evers/Ewer/Brandsen 2014; Strachwitz et al., 2020). Viele dieser Initiativen verstehen sich explizit als Gegenmodell zu als starr, langsam oder ausschließend wahrgenommenen Verbandsstrukturen. Sie entwickeln aus sich heraus neue Formen der Entscheidungsfindung, Rollenverteilung und Beteiligung, die auf Flexibilität, Offenheit und Kooperation setzen. Trotz oftmals begrenzter finanzieller und personeller Ressourcen gelingt es ihnen, im lokalen Raum eine erhebliche Wirkung zu entfalten – nicht zuletzt durch kreative Methoden wie Design Thinking, digitale Tools zur Kollaboration oder inklusive Formate wie Commu-

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