Dafür haben unsere Dienste und Einrichtungen in den zurückliegenden Monaten kreativ ihre Arbeit zu Gunsten denjenigen umgestellt und weiterentwickelt, die – nicht nur in dieser herausfordernden Zeit – unsere Unterstützung in Anspruch nehmen (müssen). Bei all dem wurde deutlich: Solidarität war und ist unsere Antwort auf die Herausforderungen dieser Zeit. Einige Beispiele, von unzähligen tollen Maßnahmen unserer Dienste und Einrichtungen stellen wir in diesem Jahresrückblick vor.
Das AWO Lore-Agnes-Haus
Bereits seit 1983 ist das AWO Lore-Agnes-Haus in Essen eine weit über die Grenzen des Niederrheins bekannte Anlaufstelle für alle Fragen und Probleme rund um Sexualität, Familienplanung, Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch. Doch die Corona-Pandemie stellte die staatlich anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle vor gänzlich neue Herausforderungen. Denn die gesetzlich vorgeschriebene Beratung vor einem Schwangerschaftsabbruch, die die Grundlage für die erforderliche Beratungsbescheinigung ist, ist an strenge Regelungen und Fristen gebunden: Seit der Befruchtung dürfen nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sein – und das gilt auch, wenn sich das Land im Lockdown befindet. Von daher entwickelten die Mitarbeiter*innen der Einrichtung ein umfangreiches Hygienekonzept, um während des Lockdown und unter den später folgenden Kontaktbeschränkungen und Abstandsregelungen die Beratungsleistung aufrechtzuhalten. Dies gilt übrigens auch zwischen den Jahren. Denn die Schwangerschaftskonfliktberatung lässt sich schlecht digitalisieren, was wiederum für die zahlreichen weiteren Beratungsleistungen der Einrichtung zum Beispiel bei der Ausweitung des Chat-Angebotes gelang.
Um die Frauengruppen mit Zuwanderungsgeschichte umfassend und kompetent über die aktuellen Corona-Entwicklungen zu informieren, übersetzten die Mitarbeiter*innen des Hauses die geltenden Regelungen in zahlreiche Sprachen wie Farsi und Sorani, um sie auf ihrer Facebook-Präsenz den interessierten Frauen* zugänglich zu machen.
Das Bezirksjugendwerk der AWO Niederrhein
Die Corona-Pandemie führte beim Bezirksjugendwerk der AWO Niederrhein dazu, dass viele Angebote nicht wie geplant durchgeführt werden konnten. Dazu gehörten Gedenkstättenfahrten und Bildungsprojekte sowie die klassischen Ferienfahrten nach Föhr, Kroatien, Korsika und Spanien. Aber schnell war klar, dass Ersatz geschaffen werden muss, damit gerade für Kinder und Jugendliche, die zu den Verlierer*innen der Krise gehören, nicht noch mehr Angebote und Beschäftigungsmöglichkeiten wegbrechen. Dafür realisierte das Bezirksjugendwerk kurzfristig in den Sommerferien ein Zeltlager an der Südsee beim Waldcamping Speetenkathund und konnte so für zahlreiche Jugendliche eine abwechslungsreiche Corona-Not-Ferienfreizeit realisieren. Denn: Zelten an der Südsee war und ist mit Abstand das Beste.
Ähnlich karibisch anmutend fand auch die 36. Bezirksjugendwerkskonferenz der AWO Niederrhein statt. Unter Palmen kamen die jungen Freund*innen in der Awtar-Lounge in Essen-Altendorf zusammen, um wegweisendes zu beschließen: Das Bezirksjugendwerk wird fortan von einer Doppelspitze geführt! Gewählt wurden Julia Verheyen (25 Jahre) und Tim Hüser (28 Jahre). Doch wurden nicht nur wichtige Personalfragen geklärt, sondern vor allem inhaltlich gearbeitet und ein umfangreiches Arbeitsprogramm bis zum Jahr 2022 diskutiert und beschlossen.
Das Willy-Könen-Bildungswerk
Der Alltag im Willy-Könen-Bildungswerk (WKB) dreht sich um Integrations- oder Berufssprachkurse, sowie Qualifizierungs- und Fortbildungsmaßnahmen. Täglich besuchen viele Kund*innen die Außenstellen in Grevenbroich und Neuss, lassen sich beraten, melden sich für Seminare an, ab oder um oder nehmen an solchen teil. Umso gravierender fiel der Einschnitt aus, als Mitte März die Kurse und Seminare als Präsenzveranstaltungen zunächst abgesagt werden mussten. Doch bereits während des ersten Lockdown wurden die Möglichkeiten der Digitalisierung konsequent genutzt, um den Kontakt zu den Seminarteilnehmenden aufrecht zu halten.
Zeitgleich setzte das WKB die Hygiene- und Abstandsregeln um, um schnellstmöglich wieder Präsenzseminare anbieten zu können. Das gelang auch – bis zu den erneuten Corona-Maßnahmen Anfang November. Doch inzwischen sind die Kolleg*innen und viele Teilnehmende im Umgang mit der Pandemie geschult, so dass laufende Präsenzangebote wie die Qualifizierungsmaßnahme für Fachkräfte in der frühkindlichen Bildung nicht eingestellt werden mussten, sondern kurzfristig digital durchgeführt wurden.
Die Erfahrungen des Willy-Könen-Bildungswerkes – und auch des AWO Lore-Agnes-Hauses – mit ihren Bildungs- und Beratungsangeboten in den zurückliegenden Monaten zeigen deutlich auf, wie wichtig es für Beratung und Bildung ist, sich flexibel an sich verändernde Lebenswelten anzupassen. Dazu gehört es, die Angebote zu digitalisieren, die Nutzer*innen an digitale Angebote heranzuführen und sie dafür zu begeistern sowie weitere Zugangswege zu den Zielgruppen zu erschließen – auch mithilfe der dafür erforderlichen digitalen Infrastruktur. Damit dies noch besser gelingt, haben die beiden Einrichtungen gemeinsam das von der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW finanziertes Projekt „Du kannst digital! Bildung und Beratung im 21. Jahrhundert neu gedacht“ initiiert, das im Dezember 2020 angelaufen ist.
Behindertenhilfe
Mitten im ersten Lockdown startete in unserer Abteilung Behindertenhilfe das neue, von der Aktion Mensch geförderte Projekt BTHG konkret – für die, um die es geht! Das innovative soziale Projekt richtet sich an Menschen mit Behinderungen, die Leistungen der Eingliederungshilfe in Anspruch nehmen. Es zielt darauf ab, sich den Fragen und Bedarfen der Menschen mit Behinderung anzunehmen und diese zu befähigen, Expert*innen in eigener Sache zu werden. So sollen sie die Unterstützung durch fachkundige Beratungsstellen für sich zu nutzen wissen. Damit es in den nächsten drei Jahren gelingt, einen wechselseitigen, dialogischen Lernprozess mit Mehrwert für alle Beteiligten herzustellen, wird das Projekt von einem fachkundigen Beirat begleitet.
In der Fabrik Hilden, unserer Anlaufstelle für Menschen mit Behinderungen, und dem dortigen Wohnverbund für psychisch erkrankte Menschen trotzten Mitarbeitende, Besucher*innen und Bewohner*innen gleichermaßen den durch das Coronavirus bedingten Einschränkungen und machten aus der Not eine Tugend: Die Angebote wurden den jeweils geltenden Kontaktbeschränkungen und Hygieneanforderungen entsprechend umstrukturiert und die Arbeit im „Corona-Modus“ fortgesetzt. So wurden fleißig Mund-Nasen-Bedeckungen genäht, Einkäufe für Menschen mit psychischer Erkrankung übernommen, Tafel-Lebensmittel ausgefahren und eine telefonische Beratung angeboten. Unterstützt wurde all dies durch die Sofortmaßnahme der Aktion Mensch, die die Aktivitäten unserer Fabrik in Hilden durch die Förderung eines Lastentransport-Rades unterstützte. Die Aktion Mensch berichtete darüber auf ihrer Webseite und in einem TV-Beitrag.
Kindertageseinrichtungen
Nicht nur für Kinder und Eltern, sondern auch für die Mitarbeitenden war sicherlich eine der schmerzhaftesten Erfahrungen in diesem Jahr, dass die Kindertageseinrichtungen geschlossen werden mussten. Von ansonsten über 1.000 Kindern in unseren Kitas, konnten nur noch gut 300 Kinder notbetreut werden. Alle anderen mussten notgedrungen zuhause bleiben. Das stellte die gewohnten Abläufe für Kinder, Eltern und Erzieher*innen auf den Kopf. Doch unsere Kita-Mitarbeiter*innen ließen sich viele kreative Ideen einfallen, um sowohl den Kontakt zu denjenigen Kindern zu halten, die Zuhause von ihren Eltern betreut werden mussten, als auch den Kindern in der Notbetreuung trotz der widrigen Umstände eine wertvolle und sichere Zeit in der Einrichtung zu ermöglichen.
Denn obwohl die Notbetreuung in Kleingruppen mit einem Fachkraft-Kind-Schlüssel von bisweilen 2 zu 2 auf den ersten Blick als Luxus erscheint, wurde schnell deutlich, dass die anderen Kinder schmerzlich zum Spielen vermisst wurden. Schnell wurden Ideen entwickelt, um Farbe in den tristen Corona-Alltag zubringen: die Kinder malten bunte Regenbogen als Zeichen der Hoffnung an die Einrichtungsfenster – und natürlich auch Zuhause. Dieser non-verbale Austausch fand seinen Höhepunkt, indem sowohl Kinder und Eltern, als auch die Erzieher*innen über an den Einrichtungszäunen angebrachte Grußbotschaften miteinander kommunizierten.
Ab Mitte Mai durften dann endlich die ersten Kinder wieder ihre Kita besuchen. Doch der Alltag bleibt weiterhin durch Corona geprägt. Damit die Kinder die neuen Hygiene- und Abstandsregelungen besser verstehen, führten Erzieher*innen in den Einrichtungen beispielsweise den Erklär-Bär Björn ein. Dieser veranschaulichte zum Bespiel kindgerecht in einem Video, was 1,5-Meter Mindestabstand bedeutet. Auf viele Traditionen musste weiterhin verzichtet werden. Doch die Quelle kreativer Lösungen versiegte nie: Da die Kinder ihre selbstgebastelten Laternen nicht beim großen Umzug ihren Eltern und Großeltern präsentieren und auch den eigens eingerichteten Präsentationsraum in der Kita SieKids Ki.Wis Duisburg nicht besichtigen konnten, filmte das Kita-Team die Ausstellung, um so den Familien einen virtuellen Besuch zu ermöglichen.
Auch der bundesweite Vorlesetag fiel nicht aus. Er wurde digitalisiert. Anstatt persönlich in einer Kita vorzulesen, nahm Jürgen Otto (Vorstand der AWO Bezirksverband Niederrhein e.V.) seine Lesung auf Video auf, dass die Kinder auf einem Laptop anschauen konnten.
Neben der schönen Nachricht, dass nach und nach die Kinder wieder in die Einrichtungen zurückkehren konnten, gab es weitere positive Meldungen. Die Kita Geschwister-Scholl-Straße in Monheim wurde mit der Plakette KlimaKita.NRW durch die energieagentur.nrw für ihre Nachhaltigkeit und Klimaschutz ausgezeichnet. Und auch die Kitas in der Krefelder Gerberstraße und die Kita Anna-Siemsen in Düsseldorf wurden ausgezeichnet, nämlich als Familienzentrum erneut zertifiziert. Die Kita Geschwister-Scholl-Straße in Monheim wurde mit der Plakette Haus der kleinen Forscher prämiert. All dies gelang den engagierten Kolleg*innen trotz der Einschränkungen.
Im zweiten Teil des Rückblicks für unsere Dienste und Einrichtungen gibt es Informationen über unsere Altenhilfe, Freiwilligendienste, Jugendhilfe, Migration und Integration sowie über die Arbeit in der Bezirksgeschäftsstelle. Dieser erscheint am 30. Dezember 2020.